WIE MAN WIRD, WIE MAN IST

An die Fünfzehnmilliarden Jahre dauerte der Bewusstwerdungsprozess des Universums vom Urknall an. Solange benötigte die Evolution, um eine Gattung hervorzubringen, die fähig war, sich selbst zu erkennen. Ein vernunftbegabtes Lebewesen, das denken konnte und das Fragen stellte: Warum gibt es mich, woher komme ich, wohin gehe ich - und vor allem, wer bin ich? Fragen nach der eigenen Identität haben Menschen schon immer zum Denken angeregt. Kein Wunder also, dass im Laufe der Menschheitsgeschichte unterschiedlichste Vorstellungen über das menschliche Wesen entwickelt wurden - magische genauso wie religiöse, philosophische und naturwissenschaftliche. Auch heute wird es wohl kaum jemanden geben, der nicht wissen möchte, wer er ist, wie er zu dem geworden ist was er ist und was seine eigentliche Bestimmung ist. Oder vielleicht doch nicht?

Die Persönlichkeitsforschung wird erst seit dem vorigen Jahrhundert - vorwiegend von Psychologen - wissenschaftlich betrieben. So gesehen ist sie ein relativ junger Zweig der Psychologie. Trotz der vielen Untersuchungen, die seither durchgeführt wurden, konnte bis heute noch keine allgemeingültige, einheitliche Persönlichkeitstheorie erstellt werden. Ja es herrscht nicht einmal Einigkeit darüber, was unter dem Begriff "Persönlichkeit" verstanden werden soll. Rein etymologisch leitet er sich aus dem lateinischen Substantiv "persona" ab. Übersetzt heißt das soviel wie "die Maske des Schauspielers" oder "die Rolle, die durch die Maske dargestellt wird". Im übertragenen Sinn bedeutet "persona" die "Charakterrolle, Charakter, Mensch, Person - der Mensch als Individuum, der Mensch in seiner besonderen Eigenheit." Nach ZIMBARDO (1992, 398) ist Persönlichkeit "...einfach gesagt das, was ein Individuum charakterisiert": Seine Einzigartigkeit also und die Summe seiner charakteristischen Eigenschaften.

Die Persönlichkeit eines Menschen kann allerdings nie "rein an sich" beobachtet und gemessen werden. Sie ist nur indirekt erschließbar. Die auseinandergehenden und zum Teil sogar widersprüchlichen Ergebnisse der Persönlichkeitsforschung erklären sich so aus den unterschiedlichen theoretischen Ausgangsbedingungen der einzelnen Untersuchungen sowie den ungleichen Methoden, die dabei angewandt wurden. Die bunte Vielfalt der Persönlichkeitstheorien reicht von der Typenlehre des griechischen Arzt HIPPOKRATES (460 - 377 v. Chr.) - die Persönlichkeit ist angeboren und durch somatische "Säfte", z.B. Gallensekret bedingt - bis zu den ra-dikalen, behavioristischen Ansätzen J.B.WATSONS - die Persönlichkeit ist erlernt und nur auf äußere Einflüsse zurückzuführen und der psychodynamischen Auffassung von Persönlichkeit, die auf Sigmund Freud zurückgeht. Darüber hinaus gibt es noch eine Vielzahl anderer Konzepte, zum Beispiel die humanistischen, die sozialpsychologischen, rollenpsychologischen, kognitiven, gruppendynamischen oder systemischen Persönlichkeitstheorien.

Konstitutionelle Typenlehren

Eine im Mittelalter entwickelte, irrtümlicher Weise dem griechischen Arzt Hippokrates zugeschriebene Typenlehre, unterscheidet insgesamt vier Temperamente: Den Sanguiniker (Blut) - heiter, unbeständig, aktiv; den Phlegmatiker (Schleim) uninteressiert, träge, schwer erregbar; den Melancholiker (Schwarze Galle) - traurig, bedrückt, grübelnd; den Choleriker (Gelbe Galle): reizbar, aufbrausend, leicht erregbar. In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts veröffentlichten Kretschmer (1921) in Deutschland und Sheldon (1942) in den Vereinigten Staaten zeitgemäßere Typenlehren. Kretschmer wie Sheldon unterteilten die Menschen nach ihren Körperbau. Kretschmer unterschied zwischen dem leptosom-asthenischen Typ, dem pyknischen und dem athletischen. Leptosome seien feingliedrig, zierlich und hager. Pykniker wiesen rundliche Körperformen und schmale Schultern auf. Athletiker hingegen zeichneten sich durch einen sportlich muskulösen Körperbau aus. Zu einer gleichartigen Einteilung gelangte Sheldon zwanzig Jahre später. Er differenzierte in Ektomorphe (Leptosome), Mesomorphe (Athletiker) und Endomorphe (Pykniker). Auch in der charakterlichen Einschätzung der drei Persönlichkeitstypen zeigten sich die beiden Ärzte einig. Rundliche Menschen sollten eher umgänglich, heiter und gesellig sein. Athletiker wurden als kraftvoll, energisch und mutig beschrieben. Leptosome interessierten sich dagegen mehr für ihr Innenleben. Sie seien die geborenen Denker oder Künstler. Kretschmer konnte nachweisen, dass Leptosome mehr zur Schizophrenie, Pykniker zu Erkrankungen des manisch-depressiven Formenkreises und Athletiker zur Epilepsie neigen. In der letzten Zeit lieferten die Ergebnisse der Gentechnik neue Argumente für die Relevanz konstitutioneller Theorien.

Faktorenanalytische Persönlichkeitstypologien

Darunter versteht man Persönlichkeitstypen, die mit Hilfe der Faktorenanalyse, einem statistischen Verfahren, aus einer Menge von beobachtbaren Persönlichkeitseigenschaften (siehe EYSENCK, CATTELL, GUILFORD, etc.) gebildet werden. Komplexe psychologische Konstrukte, wie Persönlichkeit, sind nur durch eine Vielzahl beobachtbarer und messbarer Daten objektivierbar. Diese müssen ihrerseits wiederum zu Clustern (in unserem Fall zu Persönlichkeitsclustern) zusammengefasst werden, damit sinnvolle Aussagen möglich werden. Die Faktorenanalyse ist ein verbreitetes und zuverlässiges Verfahren um in sich konsistente Itemcluster zu bilden. Aus einem Pool von Persönlichkeitseigenschaften werden jene zusammengefasst, die mit mathematisch vorgegebenen Funktionen hoch korrelieren. Die so gewonnenen statistischen Zusammenhänge lassen auf zugrundliegende Typen schließen, deren Benennung sich aus dem Inhalt der Itemkombinationen ergibt, die sie konstituieren (z.B. depressive Persönlichkeit, zwanghafte Persönlichkeit, etc.).

Eine auf empirischen Grundlagen beruhende Persönlichkeitstypologie wurde von H.J.EYSENCK (1964) erstellt. Auf testpsychologischem Weg erhob er eine große Zahl von Persönlichkeitsmerkmalen. Diese reduzierte er mit der Faktorenanalyse, auf vier Kategorien, von denen er je zwei gegenüberstellte. Die erste Persönlichkeitsachse ist durch die Pole Introversion - nach innen gerichtet - und Extraversion - nach außen gerichtet - charakterisiert. Extravertierte Menschen werden als gesellig, kontaktfreudig, impulsiv, aktiv, optimistisch und gesprächig beschrieben. Introvertierte hingegen als ruhig, zurückgezogen, reserviert, ungesellig und passiv. Die zweite Achse bildete das Gegensatzpaar: Stabilität - Labilität. Stabile Charaktere zeichnen sich oft durch Zuverlässigkeit, Ausgeglichenheit, Ruhe und Führungseigenschaften aus. Instabile sind eher ängstlich, launisch, empfindlich, unruhig und aggressiv.

Lerntheoretische Persönlichkeitsmodelle

Im Gegensatz zu den konstitutionellen Theorien - Persönlichkeit ist angeboren - behaupten die Lerntheoretiker, Persönlichkeit entstünde erst im Laufe der Entwicklung und wäre von der Umwelt determiniert. Charakter und Verhalten seien also zur Gänze erlernt. Das lerntheoretische oder genauer das klassische behavioristische Modell geht von einem grundlegenden Reiz-Reaktionsschema oder S-R System aus - wobei S für Stimulus, den Reiz und R für die Reaktion steht. Die menschliche Persönlichkeit lässt sich demnach gut als Reaktionsmuster auf die von der Außenwelt einwirkenden Reize verstehen.

Die bisher besprochenen Eigenschaftstheorien beschreiben nur "reine", voneinander abgegrenzte Persönlichkeitstypen, wie sie in der Praxis selten vorkommen. Das ist auch der Schwachpunkt dieser Einteilungen. Darüber hinaus bleiben sie tiefergehende Erklärungen über die Vielfalt menschlicher Verhaltensweisen schuldig. Hängt es nur von der Konstitution oder im anderen Fall, von äußeren Einflüssen ab, ob einer z.B. wegen jeder Kleinigkeit "aus der Haut fährt", während ein anderer in den selben Situation ruhig und gelassen bleibt? Auch ist es überhaupt nicht klar, warum Menschen persönliche Veränderungen so schwer fallen, selbst wenn der nötige Wille dazu vorhanden ist? Wie viele gute Vorsätze scheitern schon nach wenigen Tagen an der menschlichen Natur? Ganz offensichtlich sind dem bewussten Wollen des Menschen unbewusste Kräfte gegenübergestellt, die sich seiner direkten Einflussnahme entziehen.

Das psychodynamische Persönlichkeitsmodell

Sigmund FREUD, dem Begründer der Psychoanalyse, blieb es vorbehalten, jene geheimnisvollen Kräfte aufzudecken, die so große Macht über das menschliche Verhalten ausüben. Seine Erkenntnisse führten später zur Formulierung der "Psychodynamischen Persönlichkeitstheorie". Folgende Grundannahmen liegen ihr zugrunde: Erlebnisse aus der frühen Kindheit prägen die spätere Persönlichkeit des Menschen. Das bewusste Verhalten - Denken, Reden, Handeln - wird durch unbewusste kindliche Wünsche gesteuert. "Verhalten kann durch Triebe motiviert sein, deren wir nicht bewusst sind. Wir sind fähig zu handeln, ohne dass wir wüssten warum und ohne direkten Zugang zu den wahren Gründen unserer Handlungen. Unser Handeln hat einen manifesten Inhalt - was wir sagen, tun und wahrnehmen. Dessen sind wir uns völlig bewusst. Es gibt aber auch einen latenten Inhalt, der uns durch unbewusste Prozesse verborgen wird." ZIMBARDO (1992, 409) Nicht das bewusste Wollen, sondern unbewusste Kräfte sind letztlich für das Tun des Menschen verantwortlich. Es waren vor allem Träume und Fehlleistungen (versprechen, vergessen, verlegen, etc.) die Freud zur Annahme einer zweiten, unbewussten Ebene nötigten.

Die von der Psychologie oft so geringgeschätzten Fehlleistungen erweisen sich als unbeabsichtigte Manifestation des Unbewussten im Bewussten. "Das Vergessen von Vorsätzen lässt sich ganz allgemein auf eine gegensätzliche Strömung zurückführen, welche den Vorsatz nicht ausführen will." FREUD (1916, 74) Selbst wenn Sie sehr wertvolle Dinge verlieren deren Verlust Sie schmerzhaft bedauern, steckt eine unbewusste Absicht dahinter. "Allen Fällen gemeinsam ist, dass man etwas verlieren wollte, verschieden aber, aus welchen Grund und zu welchem Zweck. Man verliert eine Sache, wenn sie schadhaft geworden ist, wenn man die Absicht, hat sie durch eine bessere zu ersetzen, wenn sie aufgehört hat, einem lieb zu sein, wenn sie von einer Person herrührt, zu der sich die Beziehungen verschlechtert haben, oder wenn sie unter Umständen erworben wurde, denen man nicht mehr gedenken will. Den selben Zweck kann auch das Fallenlassen, Beschädigen, Zerbrechen der Sache dienen". FREUD (1916, 96)

Die Analyse der Fehlleistungen führte Freud zu der Erkenntnis, dass der realen, bewussten Handlungsebene, eine zweite, unbewusste zugrunde liegt, die das Verhalten des Menschen motiviert. Nach Auffassung der Psychoanalyse ist der Mensch einem fortwährenden Streben nach uneingeschränkter Lust unterworfen. Wünsche, die realer Gegebenheiten wegen unerfüllt bleiben, werden aus dem Bewusstsein gedrängt. Sie büßen ihre ursprüngliche Stärke dabei aber nicht ein. Aus dem Unbewussten drängen sie weiter auf Erfüllung. FREUD nannte diesen Vorgang "Verdrängung" und "Wiederkehr des Verdrängten". Ausgehend von diesen Vorstellungen, entwickelte er ein - nicht unumstrittenes - Persönlichkeitsmodell, dass wir Ihnen auf den nächsten Seiten näher bringen wollen.

Den zahlreichen Gegnern der Psychoanalyse sollte ein Zitat des großen amerikanischen Sozialpsychologen ZIMBARDO (1992, 414) zu Denken geben, der sicher nicht im Verdacht steht "Freudianer" zu sein. "Trotz der gegen sie (die psychoanalytische Theorie Freuds, Anm. d. Verf.) erhobenen Einwände, hat eine neuere kritischere Bewertung viele seiner Vorstellungen über die Entwicklung der Persönlichkeit und über Psychopathologie bestätigt (FISHER,GREENBERG, 1985). Was Picasso in Bezug auf die bildende Kunst getan hat, hat Freud in Bezug auf die menschliche Psyche geleistet: Er hat unsere Art und Weise, über ihre Möglichkeiten nachzudenken, für immer verändert."

Es, Ich und Überich

Freuds Modell unterscheidet zwischen drei Persönlichkeitsinstanzen: dem Es, dem Ich und dem Über-Ich. Das Es bezeichnet den impulsiven, "treibenden" Teil unserer Persönlichkeit. Seinen Kern bilden die primitiven Triebbedürfnisse des Menschen und die verpönten Wünsche, die er im Laufe seiner Sozialisation verdrängen musste. Das Es ist ausschließlich lustorientiert und auf möglichst unmittelbare, umfassende Triebbefriedigung aus. Weiters befinden sich im Es alle jene psychischen Inhalte, die im Laufe Sozialisation verdrängt werden mussten. Die Vorgänge im Es sind unbewusst. Dem Es wird das Über-Ich gegenübergestellt. Es bildet sich aus den verinnerlichten Verboten und Geboten der Eltern und den ihnen geltenden Gefühlen. Gleichzeitig ist es auch Träger des Gewissens, der Selbstbeobachtung und der Idealbildung. Sein Wirken schränkt das unbändige Luststreben des Es ein. Dem Ich fällt die Aufgabe zu zwischen den Wünschen des Es und den Anforderungen des Über-Ichs zu vermitteln. Es gehorcht der Vernunft. Im Normalfall gesteht das Ich dem Es überall dort Triebbefriedigung zu, wo diese ohne Gefahr möglich ist. Es verhindert die Wunscherfüllung jedoch dann, wenn dadurch die Sicherheit oder das Ansehen eines Individuums bedroht sind. Dabei bedient es sich bestimmter Strategien, die von Freud als "Abwehrmechanismen" bezeichnet wurden. Unter diesen nimmt die Verdrängung unliebsamer Triebregungen einen besonderen Stellenwert ein.

Das sichtbare bewusste Verhalten wird vom unbewussten Zusammenwirken der drei Instanzen bestimmt. Naturgemäß stehen sich Es und Über-Ich feindlich gegenüber. Verfügt ein Mensch über ein ausgesprochen strenges, unerbittliches Über-Ich, ist Triebfeindlichkeit unweigerlich die Folge. Ichschwache Menschen hingegen werden kaum in der Lage sein, ihre Triebansprüche ausreichend unter Kontrolle zu halten. Im Alltag erscheinen sie als leicht erregbar, impulsiv, willenschwach, haltlos. Der Konflikt zwischen dem Es, der menschlichen Triebhaftigkeit und dem Über-Ich - den verinnerlichten gesellschaftlichen Normen - ist unauflösbar. So gesehen ist der Mensch ein "Konfliktwesen". Der Kampf des "Geistes" gegen das "Fleisch" währt solange wir leben. Es bleibt letztlich nur der Weg der Kompromissbildung. Menschen, die Ihren Triebwünschen allzu feindlich gegenüberstehen, laufen Gefahr, psychisch zu erkranken. Während im umgekehrten Fall hemmungslose Triebbefriedigung auf Kosten anderer Asozialität und nicht selten auch Straffälligkeit mit sich bringt.

Der Trieb in der Psychoanalyse

Es war jetzt schon so oft von Triebbedürfnissen, Triebansprüchen etc. die Rede, dass es geboten scheint, mehr über das Wesen der Triebe in Erfahrung zu bringen. Dass der Mensch nicht mit Instinkten, sondern mit Trieben ausgestattet ist, unterscheidet ihn vom Tier. Das Tier kann auf sein biologisches Verlangen immer nur mit einem einzigen, angeborenen Verhaltensmuster reagieren. Beim Menschen hingegen fehlt die feste Verbindung zwischen dem Bedürfnis und dem Befriedigungsvorgang. Wenn ein Mensch z.B. sexuell erregt ist, kann er sich selbst befriedigen, andere für den Geschlechtsakt gewinnen oder seine Erregung auf andere Ziele lenken - zum Beispiel ein erotisches Buch schreiben. Diese fehlende feste Verknüpfung zwischen Bedürfnisspannung und Befriedigung ist die Voraussetzung für die Entstehung menschlicher Kultur. Erst die Fähigkeit, Triebspannung nicht unmittelbar abführen zu müssen, sie beherrschen zu können oder für andere Zwecke nutzbar zu machen, ermöglichen die großartigen intellektuellen Leistungen im Bereich der Wissenschaften und Kunst.

Der psychoanalytische Triebbegriff bezeichnet eine kontinuierlich fließende, körperliche Reizquelle, die im Organismus zu einem steten Spannungszuwachs führt. Dieser wird ab einer gewissen Stärke - denken Sie dabei nur an das Hungergefühl - als unlustvoll erlebt und drängt nach Abfuhr. Daraus folgt, dass Triebe stets die Verknüpfung einer von innen kommenden Bedürfnisspannung mit einem - ursprünglich von außen herbeigeführten - Befriedigungsvorgang sind. Orale, anale und genitale Triebwünsche bilden sich erst im Laufe der Entwicklung unter dem Einfluss des Still- und Pflegevorgangs, sowie der prägenitalen und genitalen Selbstbefriedigung aus. Ohne erlebte Befriedigung würde es demnach auch keine Triebe, bzw. Triebwünsche geben, sondern nur diffus erlebte, indifferente Spannungszustände. Triebrepräsentanzen sind Wünsche und Vorstellungen, mit denen sich die Triebe im Bewusstsein bemerkbar machen. Sexuelle Spannungen z.B. bedingen bei den meisten Menschen sexuelle Wünsche, die auf Realisierung drängen. Je nachdem ob der Inhalt dieser Wunschphantasien mit der gesellschaftlichen Realität vereinbar ist, werden solche Triebwünsche in die Tat umgesetzt oder verworfen.Für die spätere Persönlichkeitsentwicklung sind, wie gesagt, die in der Kindheit verdrängten aggressiven und sexuellen Triebwünsche maßgebend. Jeder Säugling ist ursprünglich ein einziges Triebbündel. Er will, dass jede unlustvolle Spannung prompt gelöst wird. Hunger schreit nach Sättigung. Alleinsein verlangt nach Nähe. Bevor ein Mensch erwachsen wird muss er verschiedene Stufen der Triebentwicklung durchlaufen. Es ist nicht unwesentlich, wie Eltern auf die kindlichen Triebregungen reagieren. Lieblose, harte Erziehung kann ein Kind in seiner Entwicklung genauso hemmen, wie infantilisierende Überbehütung und abhängigmachende Verwöhnung.

Das Objekt in der Psychoanalyse

Nicht immer ist sofort klar, was mit einem so abstrakt klingenden Begriff wie “Objekt” vorstellen sollen. Die anwesende, sättigende, Geborgenheit spendende Mutter ist z.B. das Urbild eines “guten Objektes”. Der Kern dieses “oralen” Objektbildes ist der nährende Befriedigungsvorgang. Die wohligen Gefühle, die den Stillakt begleiten, die lustvolle Entspannung, die Wärme, Sicherheit und Geborgenheit geben dem Bild seine emotionale Färbung.
Hunger, Blähungen oder andere Spannungen, die ein Baby quälen, z.B. seine Sehnsucht nach Hautkontakt, werden in der Phantasie zu “bösen Objekten” verarbeitet. In Wechselwirkung mit den realen Erfahrungen werden auch die unlustvollen Seiten der äußeren Welt in der inneren abgebildet und verarbeitet.

Die Welt der verinnerlichten Objektbilder muss zwangsläufig ein Zerrbild der äußeren sein: Heftige Affekte rufen entsprechend starke Verzerrungen hervor. Übermäßige Versagungen können das Bild der realen Mutter so verzerren, dass sie im Augenblick der Frustration in der Vorstellung des Kindes zu einem kalten, feindseligen, bösartigen Ungeheuer wird. Da aber ein solches Mutterbild für ein Kleinkind unerträglich wäre, folgt im Gegenzug reflexartig die Verleugnung der bösen und die Idealisierung der guten Mutterimago. Daraus ergibt sich paradoxerweise, dass abgelehnte, misshandelte Kinder ihre Eltern am stärksten idealisieren.

Die Psychoanalyse kennt reale Objekte (Vater, Mutter, Geschwister) und phantasierte Objekte (z.B. die verschlingende Vagina, den allmächtigen Phallus), ganzheitliche Objekte (Mutter, Vater, Geschwister) und Teilobjekte (etwa die Brust). Am Objekt kann der Trieb sein Ziel verwirklichen und Befriedigung erlangen. Die Beziehung zum Objekt ist durch positive Liebes- oder negative Hassgefühle charakterisiert. In der Regel verläuft eine Beziehung ambivalent. Das heißt: Ein jedes Objekt wird gleichzeitig geliebt und gehasst, nur dass die Liebesgefühle meist bewusst und der Hass unbewusst ist, da die positiven Empfindungen die negativen, destruktiven meist überlagern und neutralisieren.

Melanie Klein führt den Begriff des “guten” und des “bösen” Objektes ein. Unter einem guten Objekt versteht man, wie schon oben ausgeführt, das nährende, befriedigende Objekt, unter dem bösen das abwesende, versagende, sich verweigernde, zerstörende Objekt. Abhängig von der erlebten, phantasierten oder ersehnten Eigenschaft des Objektes ergeben sich verschiedene Formen der Objektbeziehung. Die Beziehung zwischen dem Subjekt und einem Objekt kann orale, analsadistische, phallisch-narzisstische, ödipale Züge tragen.

Das psychoanalytische Entwicklungsmodell

Nahezu alle psychologischen Schulen stimmen heute darin überein, dass die richtungsweisenden Weichenstellungen für die spätere Persönlichkeitsentwicklung in der Kindheit erfolgen. Bevor das Kind eine "Persönlichkeit" wird, muss es verschiedene Entwicklungsphasen durchlaufen.

Der Einfluss der oralen Phase auf die Persönlichkeitsentwicklung

In der ersten Phase der Triebentwicklung wird Lust über eine Reizung der Lippen und Mundschleimhäute im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme durch Saugen, Schlucken, Lutschen und Beißen gewonnen - daher orale Phase. Der "Nahrungshunger" deckt sich in dieser frühesten Phase der menschlichen Entwicklung noch mit dem "Beziehungshunger" und der Sehnsucht nach Hautkontakt, Wärme und Geborgenheit, die nur durch die Anwesenheit eines anderen Menschen, in den meisten Fällen der Mutter, gestillt werden kann. Unabhängig davon, ob der Säugling hungrig oder "gefühlshungrig" ist - er erlebt diesen Mangel in gleicher Weise als diffuse, unlustvolle Spannung.Entsprechend dieser frühen Dynamik gehören zu den positiven Seiten des oralen, nicht frustrierten Charakters unerschütterliches Vertrauen, Optimismus und Wissbegierde. Für oral frustrierte Menschen ist hingegen die Unfähigkeit zu warten, Rast- und Ruhelosigkeit, geringe Spannungs- und Frustrationstoleranz, sowie ein gieriges, drängendes Wesen, typisch.

Da der Säugling seine Ichfunktionen noch nicht wahrnehmen kann muss die Mutter in dieser Zeit die Rolle eines außerhalb seiner selbst existierenden Hilfs-Ichs einnehmen. Der Säugling ist gierig, fordert, verschlingt, "verleibt sich die Welt ein". Die Mutter gibt, stillt, sättigt, wird “verschlungen” und "einverleibt". Darüber hinaus reguliert sie durch einfühlsame Zuwendung das Spannungsniveau des Säuglings. Sie beruhigt, wenn die Spannung wächst, schützt und regt an, wenn er sich einsam fühlt oder langweilt. Das Ausmaß der Ich-Stärke, das ein Mensch erwirbt, hängt entscheidend von den positiven Erfahrungen und der Fürsorge in diesem frühesten Lebensabschnitt ab. Eine spannungsreiche Beziehung zur Mutter oder deren Ersatz, Unregelmäßigkeiten und Widersprüchlichkeit in der Fürsorge (Wechsel zwischen Verwöhnung und Vernachlässigung) und fehlendes Einfühlungsvermögen, stören die Ich-Entwicklung erheblich. Nachdem für beide Geschlechter das erste Liebesobjekt die Mutter (eine Frau) ist, beginnt das Liebesleben eines Knaben heterosexuell, dass eines Mädchens homosexuell. Aus der Sicht der Frau bringt sie mit einem männlichen Kind ihren potentiellen Liebhaber zur Welt. Mit der Geburt eines weiblichen Kindes schenkt sie ihrer späteren Rivalin das Leben. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Mut, auf Grund der latenten Rivalität, ein höheres Konfliktpotential in sich birgt. Sie bringt sämtliche Voraussetzungen mit, die für ein späteres Drama benötigt werden.

Die Unterschiede im frühkindlichen Pflegeverhalten wiegen um so schwerer, weil der Verlauf dieser ersten Lebensphase für die psychosexuelle Entwicklung eines Menschen von größter Bedeutung ist. In diesem Lebensabschnitt wird der Grundstein für das Selbstvertrauen und die Kontaktsicherheit im Umgang mit anderen gelegt. In der Interaktion mit der Mutter bilden sich die ersten Kommunikationsmuster, irreversible Strukturen, vergleichbar mit dem Fundament eines Hauses. Diese frühkindliche Prägung gibt weitgehend die Möglichkeiten und Grenzen der späteren Entwicklung vor. Aus verständlichen Gründen ist die Mutter-Kindbeziehung in diesem frühen Lebensstadium noch sehr einseitig ausgerichtet. Der Säugling ist bedürftig und verlangt. Die Aufgabe der Mutter ist es, diese Signale richtig zu verstehen und seine Bedürfnisse zu stillen. Die Regulation des inneren Gleichgewichtes eines Säuglings hängt somit fast zur Gänze vom Einfühlungsvermögen der Mutter ab, auf das Reizangebot des Kindes mit dem richtigen, spannungsvermindernden Antwortmuster zu reagieren. Die Fähigkeit zu bemuttern hängt natürlich stark von den lebensgeschichtlichen Erfahrungen einer Frau ab. Je nachdem wie sie selbst Mütterlichkeit erfahren hat, wird sie mehr oder weniger gut in der Lage sein auf die Bedürfnisse ihres Kindes einzugehen.

Übermäßige „orale“ Versagungen können ein Kind genauso an die Befriedigungsmuster dieser Entwicklungsstufe fixieren, wie neurotische Verzärtelung und überfürsorgliches Verhalten. Ein befriedigender Verlauf der oralen Entwicklungsphase führt, wie schon weiter oben erwähnt, zu Selbstvertrauen und Optimismus. Oral frustrierte Menschen hingegen sind oft neidisch, pessimistisch. In Beziehungen machen sie sich leicht abhängig ohne aber wirkliche Nähe zuzulassen. Mit Spannungen und Enttäuschungen werden Sie nur schwer fertig. Sie können nicht warten und ihre Gier kaum unter Kontrolle halten. Ein hinlänglich befriedigender Verlauf der ersten Lebensphase führt jedoch nicht nur zur Verinnerlichung der positiven mütterlichen Qualitäten, sondern auch zur Ausbildung einer positiven Mutterimago. Vielleicht werden Sie sich jetzt fragen, was Sie sich unter diesem seltsamen Begriff „Imago“ vorstellen sollen. Imago kommt aus dem Lateinischen und lässt sich am besten mit "Bild" übersetzen. In der Psychologie geht es um das Bild, das jemand von einem oder mehreren Menschen oder einer Sache hat. In vieler Hinsicht ähnelt die Imago einem Vorurteil, welches nur in unserer Vorstellung existiert und von der Realität unberührt bleibt. Wie Sie wissen, ist es kaum möglich, Vorurteile durch Sachargumente zu entkräften. Eine Beziehung ist dann imaginär, wenn sie nur in der Phantasie besteht, aber nicht wirklich ist.

Der Begriff „Imago“ wurde ursprünglich von C.G. Jung in die Psychoanalyse eingeführt. Er verstand darunter die unbewusste kreative Verarbeitung von Wahrnehmungen auf der Grundlage bereits bestehender archaischer Vorbilder. Diese Urbilder bezeichnete Jung als Archetypen, die im Laufe der menschlichen Entwicklung entstanden sind. Heute geht man aber eher davon aus, dass die Imago von den ersten realen und phantasierten Beziehungen zur Außenwelt gebildet wird. Die Psychoanalyse unterscheidet hier zwischen Vater- , Mutter- und Geschwisterimagines, die sich in der familiären Umgebung herstellen. Die ersten „imaginierten“ Bilder, von denen sich alle späteren Objekt- und Beziehungsvorstellungen ableiten, entstehen in der symbiotischen Beziehung zur Mutter. Sie sind phantasievolle Abbildungen der nährenden, Geborgenheit spendenden, anwesenden Mutter, oder umgekehrt, die abwesende, sich verweigernde, "böse" Mutter, die in unserem Inneren gespeichert werden. Diese beiden Gefühlszustände können als Vorbild für die Himmel – Hölle Dualität gewertet werden. Der gesättigte Zustand absoluter Bedürfnis- und Spannungslosigkeit wäre die Metapher für das Paradies. Die ungestillte Begierde und Einsamkeit im Hunger der Archetyp für die ewige Verdammnis. Wie es bei schöpferischen Produktionen üblich ist, wird das Vorbild nie vollkommen naturgetreu abgebildet. Oft weisen diese inneren Bilder nur mehr eine vage Übereinstimmung mit dem Original auf. Bei der Imago handelt es sich daher nicht bloß um eine verinnerlichte Abbildung eines äußeren Objektes, sondern um eine neu hergestellte Schöpfung desselben in der inneren Welt. So kann zum Beispiel die phantasierte Beziehung zur Mutter völlig von der wirklichen abweichen, die Imago der bösen Mutter – im Märchen die Stiefmutter oder Hexe - mit einer in der Realität unauffälligen Mutter übereinstimmen. Dieses imaginierte Bezugssystem befindet sich in einer ständigen Wechselwirkung mit der realen Außenwelt. Wie Sie die Vorgänge in der äußeren Welt deuten, hängt nicht zuletzt von den schon existierenden Bildern Ihrer inneren Welt ab. Sämtliche Beziehungen, die Sie im Leben aufbauen sind immer eine Mischung aus Realität und Ihrer Phantasie. Je stärker Ihre phantasierte Beziehung von der realen abweicht um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es im weiteren Verlauf dieser Beziehung bei Ihnen zu einer Desillusionierung kommt. Die „imaginierte“ Beziehung zur Mutter, sowie das verinnerlichte „Bild“ der Mutter scheinen eine fundamentale Bedingung für eine erfolgreiche Sozialisierung zu sein. Menschen mit die ein negatives Mutterbild verinnerlicht haben, werden nur schwerlich Empathie und Liebesfähigkeit entwickeln.

Der Einfluss der analen Phase auf die Persönlichkeitsentwicklung

Die bekannten Hauptmerkmale des analen Charakters - Sauberkeit, Sparsamkeit, Eigensinn und Ordnungsliebe (nach Freud die anale Trias: Reinlichkeit, Geiz und Pedanterie) - lassen sich auf jene Phase zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr zurückführen, in der das Kind die Kontrolle über seine Ausscheidungsfunktionen erwirbt. In diesem Zeitraum wird Lust vorwiegend aus der Analerotik gewonnen. Indem Kot und Urin zurückgehalten werden, kommt es zu einem Spannungsanstieg durch eine Reizung der Darmschleimhaut, beziehungsweise Dehnung der Harnblase. Lust wird auch durch den abrupten Spannungsabfall beim Entleeren von Harn und Darminhalt gewonnen.
Diese Stufe der Triebentwicklung lässt sich durch das Zusammenspiel der Gegensatzpaare "aktiv - passiv", "zurückhalten - loslassen", "herrschen - beherrscht werden", "Macht - Ohnmacht", treffend beschreiben. Auch sadomasochistische Verhaltensweisen - die Lust zu quälen, zu beherrschen, zu erniedrigen oder im umgekehrten Fall die Lust, sich selbst zu unterwerfen, zu erniedrigen, zu leiden - sind aus der Analerotik abzuleiten. Sie basieren auf den gegensätzlichen Polen Ausscheiden (im Sinne von trennen, zerstören, vernichten) gegenüber Zurückhalten (im Sinne von bewahren, beherrschen, kontrollieren).

In dieser Lebensspanne schwankt das Kind entsprechend den Ausscheidungsfunktionen zwischen Zerstörung und Bewahrung seiner Objekte und der zu ihnen bestehenden Beziehungen. Jeder kennt die Situation, in der ein Kind dieses Alters ein Haus aus Bauklötzen baut und dieses nach der Fertigstellung lustvoll zerstört. Dieser Entwicklungsabschnitt wird Ihnen auch unter der Bezeichnung "Trotzphase" ein Begriff sein. Das Wesentliche am Trotz ist , dass ein Kind seinen Eltern sehr deutlich zeigt, wie böse es ist. Gleichzeitig aber bleibt es in der trotzigen Verweigerung fester denn je an die Eltern gebunden. Trotz braucht ein Gegenüber. Traumatische Erlebnisse in diesem Zeitraum, etwa als Folge einer harten, gewalttätigen Erziehung, begünstigen die Entstehung von sadomasochistischem oder zwanghaftem Verhalten. Unter "Zwängen" versteht man Handlungen oder Gedanken, die der Betreffende gegen sein bewusstes Wollen ausführen oder denken muss. Sie dienen oft dazu, verbotene, weil asoziale, sexuelle oder aggressive Wünsche - Vernichtungswünsche, Vergewaltigungswünsche, Besudelungswünsche, usf. - die gleichzeitig schwere Schuldgefühle hervorrufen - durch Zwangsrituale ungeschehen zu machen oder zu neutralisieren.

In vielen Fällen führt die ins Bizarre gesteigerte Zwangsordnung genau zu dem Chaos, das durch sie eigentlich hätte vermieden werden sollen. Aber auch in anderen Phänomenen, wie Entscheidungsunfähigkeit oder Zweifeln, zeigt sich die hochgradige Ambivalenz von Bewahren und Zerstören, Liebe und Hass. So ist die eigentliche Botschaft des jeweiligen Zwanges das, was mit dem Zwang verhindert werden soll. Während es in der ersten Lebensphase hauptsächlich um die Einverleibung geht, steht in der zweiten die Ausscheidung (direkt und symbolisch) im Mittelpunkt des Triebgeschehens. Sie werden sehen, dass auch die Inhalte dieser Phase, für die Ausbildung der inneren Objektwelt von größter Bedeutung sind. Wie wirklichkeitsgetreu die äußere Welt im Erwachsenenalter wahrgenommen und interpretiert wird, hängt weitgehend von der Entfaltung und emotionalen Färbung dieser inneren Objektwelt ab. Die Spaltung, Verleugnung und Idealisierung sind zwar die frühsten aber nicht die einzigen Abwehrmechanismen, die einem kleinen Kind zur Verfügung um sich vor bedrohlichen inneren Bildern oder Triebregungen zu schützen.

In Anlehnung an den Ausscheidungsvorgang versucht es auch auf in seinen Phantasien die guten, Lust spendenden Objekte zu behalten und die schlechten, bedrohlichen, auszuscheiden, also nach außen zu projizieren. Dem einfachen Prinzip gehorchend, was ihm schmeckt, dass schluckt es, was ihm nicht schmeckt, dass spuckt es aus. Die „guten“ Objekte wandern ins Kröpfchen, die schlechten landen im Töpfchen. Im psychischen Bereich nennt man diesen Vorgang „Projektion“. Bei der Projektion handelt es sich, wie schon weiter oben ausgeführt um einen sehr frühen psychischen Schutzmechanismus, bei dem unlustvolle Affekte, verbotene Wünsche oder Absichten nicht bei sich selbst wahrgenommen, sondern auf das Umfeld projiziert werden. Als Folge dieses psychischen Abwehrvorganges ist das Böse aus dem eigenen Bereich gebannt. Man selbst ist danach nur noch gut. Schlecht und schuldig sind immer die anderen. Im späteren Leben ist dieser frühe Abwehrmechanismus vor allem für paranoide Reaktionsmuster verantwortlich. Paranoiker fühlen sich ununterbrochen verfolgt und bedroht, ohne zu merken, dass eigentlich sie der Verfolger und Aggressor sind. Es ist so, wie wenn ein Mensch über sein eigenes Bildnis erschrickt, weil er nicht erkennt, dass er in einen Spiegel schaut. Ein ähnlicher Mechanismus liegt manchen Formen der Eifersucht zugrunde. Solcher Art Eifersüchtige projizieren unbewusst ihre eigenen Untreuewünsche auf ihren Partner, was zur Folge hat, dass sie an dessen Treue und Loyalität zu zweifeln beginnen.

Zwischen dem ersten und dem dritten Lebensjahr wird ein Kind aber nicht nur sauber, es lernt auch laufen und sprechen. Üblicherweise war es schon vorher gut in der Lage lautmotorisch kund zu tun was ihm behagt und was nicht. Aber die neu erworbenen Fähigkeiten eröffnen einem Kind nun eine Vielzahl an zusätzlichen Möglichkeiten die Macht des eigenen Willens an der Nervenkraft seiner Eltern zu erproben. Sehr bald entdeckt das Kind ein Zauberwort: Nein. Nein rufen Mama und Papa wenn es etwas tut, was es nicht tun sollte. Nein schreit es selbst, wenn es sich dem Willen seines Umfeldes widersetzten möchte. Zum ersten Mal gerät das bewusste Wollen eines Kindes mit den Anforderungen der Realität in Konflikt. Mit voller Wucht prallen die ungezügelten Wünsche des Kleinkindes mit den in der Mutter (Vater, etc.) verkörperten gesellschaftlichen Normen aufeinander. Die Verweigerung die es mit seinem ersten Nein zum Ausdruck kommt ist für dieses Lebensstadium nicht nur typisch, sie ist auch von größter Bedeutung. Ist sie doch sichtbarer Ausdruck der beginnenden Abgrenzung von der Mutter. Dabei kommen dem Kind seine körperlichen Fähigkeiten entgegen. Es kann sich von der Mutter entfernen, ihr "davonlaufen", es kann sich verstecken und wieder auftauchen und es kann Schränke ausräumen. Mit größter Lust wirft es mit Gegenständen und erwartet prompt, dass sie ihm wieder gebracht werden.

Natürlich muss das Kind in seinem unbändigen Treiben eingeschränkt werden. Schon zu seiner eigenen Sicherheit. Doch welches Kleinkind lässt sich schon freiwillig einschränken? Ein Nerven zermürbender Machtkampf mit ihrem Kind bleibt den meisten Eltern nicht erspart. Geschlechtsspezifische Verhaltensunterschiede zwischen männlichen und weiblichen Kindern lassen sich in dieser Phase noch nicht erkennen. Nachdem ein einjähriges Kind zu Beginn der analsadistischen Triebstufe noch nicht in der Lage ist, kreativ die Welt umzugestalten, beschränkt es sich auf zerstörende Akte um seine neu entdeckte Lust an der Macht zu befriedigen. Es müssen bloß ein paar Bausteine aufgetürmt werden und schon fährt das Kind, mit lustvoll, sadistischem Glanz in den Augen dazwischen und wirft sie um. Auch die berühmt berüchtigten Trotzanfälle unterscheiden sich bei Buben und Mädchen nicht im geringsten.

In der Psychologie ist es mittlerweile Tradition geworden, die unvermeidlichen Machtkämpfe, die sich in diesem Alter aus den ungehemmten Triebansprüchen des Kindes und den von ihm geforderten sozialen Leistungen ergeben, am Beispiel der Reinlichkeitserziehung darzustellen. Heute, im Zeitalter der Waschmaschinen und Papierwindel drehen sich die realen Auseinandersetzungen aber nur mehr selten um das „Töpfchen“ als solches. Viel häufiger spielen sich diese Machtkämpfe im Alltag, auf der Straße, im Supermarkt oder in der Wohnung ab, wenn das Kind immer gerade das tun will, was es auf keinen Fall tun sollte. Natürlich stellt nicht nur sein Verzicht auf die unmittelbare Darm- oder Blasenentleerung, sondern auch seine Fähigkeit zu warten oder auf die Erfüllung bestimmter Wünsche gänzlich zu verzichten, eine große psychische Leistung dar. Diese erbringt es entweder den Eltern zuliebe, oder aber aus Furcht vor Bestrafung.

Die Auswirkung der frisch erworbenen Kontrolle über die Ausscheidungsfunktion auf die psychosexuelle Entwicklung darf nicht unterschätzt werden. Die Fähigkeit Harn und Stuhl nach Belieben zurückzuhalten und loszulassen, führt beim Kind zu völlig neuartigen Körpersensationen und erweitert das Spektrum seiner Lustmöglichkeiten entscheidend. Diese beschränken sich nun nicht mehr nur auf passive Formen der Befriedigung (z.B. gestillt zu werden). Von jetzt an kann es auch aktive Ziele verfolgen (z.B. durch Zurückhalten des Stuhles aktiv Lust herbeiführen). Nach und nach wird es dem biblischen Auftrag gerecht und „macht sich die Welt untertan“. Die Beherrschung des Bewegungsapparates und der Erwerb der Sprache kommen ihm dabei natürlich entgegen.

Kein Wunder also, dass diese Phase vor allem durch krasse Gegensätze charakterisiert wird. Wie eben "loslassen und zurückhalten" oder "aktiv und passiv". Auch in seiner gefühlsmäßigen Beziehung zur Außenwelt schwankt das Kind in Anlehnung an die Ausscheidungsfunktion zwischen "verweigern - nachgeben", " zerstören - bewahren", „herrschen-beherrscht werden“, "Macht und Ohnmacht". Die ganze Bandbreite sadomasochistischer Verhaltensweisen im Erwachsenenalter trägt unverkennbar die Spuren dieser frühen Phase der menschlichen Treibentwicklung ab. In ihrem Zentrum steht die archaische Lust an sexueller Gewalt, die sich nach dem Vorbild der „Aktiv–Passiv-Dualität“ um zwei Pole gruppiert: Die Vergewaltigung (Sadismus) und die Unterwerfung (Masochismus). In der aktiven Form führt die sexuelle Gewalt zur Beherrschung des Objektes. Es wird in Besitz genommen und dem eigenen Willen unterworfen. Den sexuellen Wünschen des anderen ist es hilflos ausgeliefert. Doch kann auch umgekehrt das passive Erleben von Gewalt größte Lust hervorrufen. In diesem Fall genießt es ein Mensch sich zu unterwerfen, einem anderen sexuell ausgeliefert zu sein, von ihm beherrscht zu werden. Es ist ein weit verbreiteter Aberglaube, dass Frauen der phantasierten und spielerischen Gewalt in der Sexualität weniger abgewinnen können als Männer. Die Tatsache, dass die erotischen Tagträume von Frauen eher masochistisch und die von Männer sadistisch ausgerichtet sind, scheint eine Folge der unterschiedlichen biologischen Voraussetzungen zu sein. In Übereinstimmung mit der Beschaffenheit der Geschlechtsorgane - die Frau verfügt über das aufnehmende, der Mann über das eindringende Sexualorgan – könnten auch die männlichen und weiblichen Sexualphantasien komplementär auf einander abgestimmt sein.

Der Einfluss der phallisch-narzisstischen und ödipalen Phase auf diePersönlichkeitsentwicklung

Zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr bekommen die Geschlechtsorgane als Lustquelle Bedeutung. Aus allen Formen der kindlichen Selbstbefriedigung wird Lust gewonnen: Reiben, Drücken, Schaukeln, Drehen, Berühren, Schauen und Beschaut werden - das sind die Erregungsmomente dieser Jahre. Gleichzeitig beginnen die sogenannten "Doktorspiele". Die Kinder entdecken und erforschen ihr eigenes Geschlecht und das anderer und werden so auf den Ge-schlechtsunterschied aufmerksam. Der männliche Penis wird in dieser Zeit von Buben und Mädchen maßlos überschätzt. Sogar magische Fähigkeiten werden dem "Zauberstab" zugeschrieben. Die Buben fürchten, diesen kostbaren Stab zu verlieren. Mädchen dagegen fühlen sich oft unterlegen, weil sie dieses Wunderding entbehren müssen. Als Ausgleich besetzen sie von früh an ihren gesamten Körper narzisstisch und legen auf ihr Aussehen und ihre Kleidung größten Wert.

Wie eng die Vorstellung von Macht und Überlegenheit zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr an die Existenz des realen Phallus geknüpft ist, lässt sich an den wilden Kampfspielen von Jungen dieses Alters erkennen. Jedes Ding, das sich nur irgendwie dazu eignet, wird sofort zu einem Schießprügel umfunktioniert. Man muss schon sehr blind sein, um zu übersehen, was die Gewehre, Revolver, Schwerter, Lanzen und Keulen in dieser Zeit symbolisieren. Der Inhalt der Spiele dreht sich fast immer darum, wer stärker und mächtiger ist. Oder offen ausgedrückt: Wer den „größeren“ hat. Kein Wunder also, dass männliche Kinder ihren Phallus hochschätzen und Mädchen, die kein solches Imponier-Organ haben, oft mit heftigen Neidgefühlen reagieren. Der Besitz des Penis ermöglicht ja nicht nur die Paarbildung mit der Mutter, er ist auch ein Sinnbild der Unabhängigkeit, Macht und Überlegenheit seines Trägers. Er versetzt den Mann in die Lage, eine Frau auch gegen ihren Willen zu nehmen. Eine Möglichkeit die umgekehrt der Frau nicht zur Verfügung steht. Nicht nur, weil sie dem Mann körperlich unterlegen ist, sondern weil sie auch auf seine Erektion angewiesen ist, die sie beim besten Willen nicht erzwingen kann. Dieses biologische Ungleichgewicht macht die Frau vom Mann gleich in zweifacher Hinsicht, sie ist der schwächere Teil und sexuell von der Potenz des Mannes abhängig. Das Frauen angesichts einer solchen Benachteiligung mit Wut und Neid reagieren, liegt auf der Hand.

Im Leben geht es Frauen, die unter dem Einfluss dieses Neidkomplexes stehen, nicht um Erfüllung sondern um Zerstörung. Genauer gesagt - um die Kastration der Person, die das begehrte Objekt besitzt. Nun muss das nicht immer der Mann sein, wie auch der narzisstische Phallus nicht immer mit dem fleischlichen Penis gleichzusetzen ist. Phallische Frauen, die ihren frühkindlichen Neidgefühle nicht überwunden haben, lassen sich auch in der Sexualität oft von der unbewussten Formel leiten: „Du kannst zwar meinen Körper besitzen, aber meine Liebe wird Dir nie gehören“. Der Liebhaber kann sich beim Geschlechtsverkehr noch so bemühen, die Hingabe der Frau bleibt ihm versagt. Indem sie ihm vor Augen führt, dass er nicht imstande ist, sie zu befriedigen, kastriert sie ihn im übertragenen Sinn. Dahinter verbirgt sich der infantile Rachewunsch der phallischen Frau: Sie kann zwar den realen Penis des Mannes nicht zerstören, aber sie kann ihm seine Potenz rauben, eine Frau zu befriedigen. Die im Penisneid verwurzelten Hingabe- und Orgasmusstörungen gehören zu den verbreitetsten Sexualstörungen bei Frauen. Solche Frauen nehmen ihre eigene Unbefriedigung in Kauf, nur um den Mann um den vermeintlichen Triumph zu bringen, sie besessen zu haben.

Umgekehrt kann auch der Besitz des Phallus beim männlichen Kind zu schweren psychischen Konflikten führen, deren Wurzeln oft in der Beziehung zum Vater zu finden sind. Auch wenn der Vater ausgesprochen nett ist, wird der kleine Junge wegen seiner unerfüllbaren ödipalen Wünsche (die Mutter zu besitzen) ihm gegenüber Neid und Hass entwickeln. Um wie viel stärker werden diese feindseligen Regungen aber erst, wenn sich der Vater nicht nur als phantasierter, sondern durchaus als realer Feind darstellt? Wird der kindliche Hass des Sohnes durch die väterliche Erziehung, etwa durch demütigende Erziehungspraktiken, unnötig gesteigert, unterbleibt die erfolgreiche Verarbeitung dieser destruktiven Affekte. In seiner gefühlsmäßigen Beziehung zum Vater schwankt der Junge dann zwischen angstvoller Unterwürfigkeit, trotziger Verweigerung, Hass und Schuldgefühlen. Die Angst, die hier ins Spiel kommt, wird in der Psychoanalyse Kastrationsangst genannt. Nur wenige Menschen können sich darunter etwas vorstellen. Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich bei ihr um die Angst eines kleinen Jungen vom Vater gewaltsam zur Frau gemacht zu werden. Der phantasierten Kastrationsdrohung liegen infantile Kastrationswünsche zugrunde. Die ursprüngliche Kastrationsdrohung geht nämlich vom Sohn aus und entspricht seinem Neid auf das größere und daher auch überlegene Genitale des Vater.

Die psychische Kastration, dass ein Mann einen anderen zur „Frau“ macht, spielt sich natürlich auch unter Erwachsenen ab. In amerikanischen Gefängnissen wird z.B. fast jeder junge Mann sexuell angegangen „und nach der Kerkerdevise „fight or get fucked“ entscheidet sich in dieser Zeit, ob er sein Geschlecht behalten darf, oder nach der ersten Vergewaltigung für die gesamte Dauer seines Aufenthaltes, als Opfer stigmatisiert ist und immer wieder "gefickt" werden wird. Wer einmal penetriert worden ist, gilt als punk, als Schwächling oder Feigling, der nicht kämpfen kann oder will“. Diese Vergewaltigungen entscheiden natürlich welchen Platz ein Mann in der Hierarchie einnimmt. Solche Vergewaltigungen finden unter Männern auch indirekt laufend statt. Denken Sie nur an die Überholduelle auf den Landstraßen oder Kreuzungen. Oder denken Sie an das Fußballspiel. Alleine das Szenario des Fußballspieles spricht Bände. Ausgangspunkt ist, dass zwei in der Regel männliche Mannschaften einander gegenüberstehen, wobei jede über eine Öffnung - die Toröffnung oder das Fußballtor - verfügt, die sie vor der anderen Mannschaft mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen muss.

Gleichgültig, ob man die Toröffnung als Symbol für den männlichen Anus oder für die weibliche Vagina deutet, der Sinngehalt wird dadurch nicht verändert: Auf der heterosexuellen Ebene entspricht dieser Vorgang dem Kampf zweier Schlachtreihen, wobei die Unterlegenen zulassen müssen, dass die Siegreichen in ihre Frauen (symbolisiert durch das Fußballtor) eindringen (sie vergewaltigen), weil sie deren "Öffnungen" nicht mehr verteidigen (schützen) können. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet das: Zwei Männer rivalisieren um eine Frau. Einer von beiden drängt, der andere stellt sich ihm entgegen. Bis einer schließlich siegreich aus dem Kampf hervorgeht, dem dann die Frau (das Tor) zugesprochen wird. Auf der homosexuellen Ebene wird der Verlierer selbst zur Frau gemacht (kastriert), indem er sich dem Stärkeren unterwerfen, ihm also seine eigene "Öffnung" zur Verfügung stellen muss. (Alleine die Redewendung: der Tormann hat sein Tor "rein" gehalten, deutet die Beziehung zur Analität, aber auch zur Virginität an. Ebenso besteht eine gewisse Affinität zwischen dem erfolgreichen "Torschuss" und der Ejakulation). Der Torerfolg, der bei der einen Mannschaft zu euphorischen Größengefühlen führt, bedeutet für die andere demnach Demütigung, Kastration, Vergewaltigung und erzwungene Defloration.

Der Ausgang dieses ersten gleichgeschlechtlichen Rivalitätsverhältnisses – das von Freud als „ödipale Situation“ bezeichnet wurde, entscheidet weitgehend darüber, wie Männer und Frauen im späteren Leben in der Lage sind, ihre Interessen durchzusetzen. Die ganze Palette der Beziehungsprobleme wie zum Beispiel übermäßige Eifersucht, Konkurrenzängste, Kontaktschwierigkeiten Minderwertigkeitsgefühle und viele sexuelle Ängste können Folgen dieser ersten Dreiecksbeziehung sein, die – nicht anders wie vergleichbare Beziehungen Erwachsener – eben von Rivalität beherrscht wird.Wie Männer miteinander rivalisieren, ist bekannt: Der Stärkere, Potentere, Mächtigere gewinnt die Frau. Wer den „Kürzeren“ zieht, verliert. Frauen, die auf ein sichtbares und messbares „Kampforgan“ verzichten müssen, tragen ihre Rivalität nur selten im offenen Zweikampf aus. Häufig entscheidet erst die Wahl des Mannes darüber, welche Frau sich als die Schönere, Mächtigere und Potentere fühlen darf. Der Mann hat dann keine andere Rolle als die des Zauberspiegels im Märchen von Schneewittchen. „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“ Eine Frage, die schon die griechischen Göttinnen anlässlich der Hochzeit von Peleus und Thetis beschäftigte und deren Klärung zum trojanischen Krieg führte. In Schneewittchen erkennen wir Aphrodite, die griechische Göttin der geschlechtlichen Liebe und Schönheit. Im "Zauberspiegel" den Heros Paris, den Prinzen von Troja, der im Schönheitswettbewerb der Göttinnen als Schiedsrichter fungierte. Auch der goldene Apfel, den Eris, die Göttin der Zwietracht, aus Rache, weil sie nicht zum Hochzeitsmahl eingeladen wurde, unter die Hochzeitsgäste warf, taucht im Märchen von Schneewittchen auf. Das Gift, mit dem er vergiftet wurde, ist seine Aufschrift: "Wer ist die Schönste?". Der Mythos macht unmissverständlich klar, worin sich die weibliche von der männlichen Rivalität unterscheidet: Während Männer stärker, potenter sein wollen, geht es in der Rivalität zwischen Frauen um die Schönheit und die weibliche Anziehungskraft. Die weibliche Anziehungskraft ist das phallische Gegenstück zum männlichen Penis. Eine Frau ist um so potenter, um so heftiger das Begehren ist, das sie bei Männern hervorruft.

Psychische Abwehrmechanismen

Freud wies wiederholt darauf hin, dass Menschen auf eingebildete Gefahren ganz ähnlich reagieren wie auf real gegebene. Sie wollen flüchten. So sehr sich dieser Fluchtmechanismus bei äußeren Gefahren bewährt, so untauglich erweist er sich gegenüber inneren. Nur, werden Sie vielleicht jetzt fragen, was kann einen Menschen schon von innen her gefährden? Es sind vor allem frühkindliche, egoistische, aggressive, sexuelle Triebwünsche, auf deren Erfüllung der Mensch im Laufe seiner Sozialisation unter dem Druck der gesellschaftlichen Anforderungen verzichten muss. Im Normalfall wird schon das Kleinstkind seine Triebhaftigkeit bald einschränken, um sich die Liebe der Eltern zu erhalten. Das heißt aber noch lange nicht, dass die entsprechenden Triebwünsche damit ein für alle Mal beseitigt sind. Es gibt unzählige Wünsche, deren Befriedigung wir zugunsten unserer Gemeinschaftsfähigkeit nur zurückgestellt haben. Die aber unter bestimmten Bedingungen jederzeit wiederkehren können. Diese widrigen Produkte unserer Seelentätigkeit, eben feindselige Regungen, verbotene sexuelle Begierden, werden aus dem Bewusstsein gedrängt oder unterliegen - wie Freud es nannte - der Verdrängung. Dieser psychische Mechanismus entspricht dem realen Fluchtverhalten in der Außenwelt. In Anlehnung an Freud stellt sich dieser Vorgang im bildhaften Vergleich folgendermaßen dar: Ein Betrunkener beginnt in einer Gaststube zu randalieren. Er wird auf die Straße gesetzt, das Tor hinter ihm fest verschlossen. Doch der gefährliche Gast will sich mit seinem Schicksal ganz und gar nicht abfinden. Mit den Fäusten trommelt und stemmt er sich mit aller Gewalt gegen die versperrte Tür. Er signalisiert damit nicht nur seine fortwährende Anwesenheit, sondern auch seine unverbrüchliche Absicht, zurückzukehren - sobald das Tor nachgibt.

Es ist klar, dass die “verdrängenden” Gäste (die den Randalierer hinauswerfen) in diesem Gleichnis die, auf der Grundlage der gesellschaftlich akzeptierten Moralvorstellungen funktionierenden, psychischen Abwehrkräfte verkörpern. Der verwiesene Krawallmacher hingegen steht für die verpönten Triebregungen, die - bewusst oder unbewusst - auf Befriedigung drängen. Wie das Hämmern des ungebetenen Gastes signalisiert im psychischen Erleben die Angst, dass einmal verworfene und deswegen aus dem Bewusstsein verdrängte Wünsche nach wie vor “Einlass” begehren. Angst ist demnach immer ein durchdringendes Warnsignal, dass Gefahr in Verzug ist. Gleichgültig, ob diese in der Außen- oder der Innenwelt begründet ist. Die Verdrängung ist jedoch nur ein, wenngleich auch sehr wichtiger Abwehrmechanismus, mit dem sich das Ich vor dem Durchbruch gefährlicher asozialer Triebwünsche schützt. Darüber hinaus bildet das Ich aber auch noch andere Strukturen aus, mit denen es sich gegen unerwünschte Triebregungen zur Wehr setzt. Die Effizienz und Reife dieser Ich-Strukturen hängt weitgehend vom Zustand der Ichentwicklung ab. Prinzipiell unterscheidet man zwischen (frühen, unreifen) vertikalen (z.B. Spaltung der Selbst- und Objektanteile einschließlich der zugehörigen Affekte) und (späteren, reiferen) horizontalen Abwehrvorgängen (Verdrängung). Zu den wichtigsten Abwehrmechanismen gehören:

 

• Spaltung: Durch den Mechanismus der Spaltung werden zwei oder mehrere gegensätzliche Ich-Zustände voneinander getrennt. Die Ausbildung eines einheitlichen Ichs wird auf diese Weise unterbunden. Jeder dieser dissoziierten Ich-Anteile ist durch einen bestimmten Affekt mit einem entsprechenden Objektanteil verknüpft (“böse Mutter” - Wut - zerstörendes Ich). Frühkindliche, hochgradig ambivalente, pathologische Beziehungen sind für viele Spaltungsvorgänge verantwortlich. Die Spaltung wird auch als „psychotischer Abwehrmechanismus“ bezeichnet, weil die Ich-Spaltung, bzw. Ich-Fragmentierung bei der Entstehung von Psychosen eine wichtige Rolle einnimmt.
• Introjektion: In Anlehnung an die körperliche “Einverleibung” handelt es sich bei der Introjektion um die Verinnerlichung früher Objekte oder Objekteigenschaften. Die Introjektion lässt sich oft nur schwer von der Identifikation abgrenzen und kann als deren Vorläufer betrachtet werden.
• Projektion: Eigene Affekte, Intentionen, etc. werden in andere auf andere "projiziert" und dort bekämpft. Ein sehr früher Abwehrmechanismus, der im späteren Leben vor allem für paranoide Verhaltensweisen charakteristisch ist. Der eifersuchtswahnsinnige Alkoholiker z.B. projiziert seine homosexuellen Wünsche auf die Frau und bezichtigt sie der Untreue. Auch im normalen Leben wird am anderen meist das am stärksten bekrittelt, was man bei sich selbst nicht wahrnehmen darf. Beim Projektionsvorgang funktioniert der eine immer als Projektor, der andere als Leinwand auf die die Bilder projiziert werden. Wie bei der Diaprojektion nimmt man nicht mehr die Leinwand wahr, sondern nur mehr die darauf geworfenen Bilder.
• Identifikation (mit dem Aggressor): Ein Vorgang, bei dem ein Subjekt sich einem Objekt angleicht oder aber nur bestimmte Verhaltensweisen von ihm übernimmt. In einer Alkoholikerfamilie fürchtet sich ein kleiner Bub panisch davor, wenn sein vor Eifersucht rasender Vater die Mutter im alkoholisierten Zustand lautstark attackiert und brutal schlägt. Um seine Angst vor der Aggression des Vaters zu bewältigen, entwickelt er ein Spiel, in dem er nun selbst seinem Teddy wüste Vorwürfe macht und hemmungslos auf ihn einschlägt. Die Identifikation mit dem Aggressor dient hier, wie auch in allen anderen Fällen, der Angstabwehr. Unverständliches, aggressives Verhalten kann unter Umständen auch eine unbewusste Reaktion auf Angst sein.
Identifikationen werden aber auch oft als Folge von unverarbeiteten Trennungserlebnissen durchgeführt. In solchen Fällen findet die Identifikation mit dem verlorengegangenen Objekt statt. War die Beziehung zum verlorenen Objekt übermäßig ambivalent, wurde dieses also gleichzeitig geliebt und gehasst, kann die Identifikation mit dem Objekt zur Grundlage einer Depression werden. Durch die Identifikation richtet sich die Aggression, die ursprünglich dem äußeren Objekt gegolten hat, gegen das eigene Ich.
• Verleugnung: Von Verleugnung spricht man dann, wenn ein Individuum sich unbewusst weigert, unlustvolle, bedrohliche Teile seiner inneren oder der äußeren Realität anzuerkennen. Vor allem dann, wenn keine Möglichkeit besteht, der bedrohlichen (beschämenden) Wirklichkeit zu entfliehen, kommt es zur Verleugnung (z.B. bei Süchtigen, Triebtätern, aber auch angesichts schwerer Erkrankungen) der Angst machenden Inhalte. Mit der Verleugnung geht oft unweigerlich die Idealisierung einher.
• Idealisierung: Dieser Abwehrvorgang dient der Leugnung negativer, “gefährlicher” Objekteigenschaften oder eigener destruktiver Wünsche einem Objekt gegenüber. Das (unbewusst) herabgesetzte, entwertete Objekt wird (bewusst) glorifiziert, gleichsam auf ein Podest gestellt. Der Ehemann, der seit Jahren mit seiner Frau keinen sexuellen Kontakt mehr hat und sie laufend mit anderen betrügt, behauptet, dass er keine so sehr liebe wie sie (allerdings merkt sie davon kaum etwas, weil seine Taten eine andere Sprache sprechen).
• Isolierung: Die Vernetzung von Gedanken oder Verhaltensweisen mit anderen psychischen Inhalten oder Handlungen wird unterbunden. Eine Zwangsneurotikerin darf es z.B. nicht zulassen, dass ihr "Abendgebet" mit unzüchtigen Vorstellungen in "Berührung" kommt. Passiert es ihr dennoch, muss ise das Gebet wiederholen. Ein Abwehrmechanismus, der vor allem bei Zwangsneurosen häufig vorkommt.
• Reaktionsbildung: Ein verpönter unbewusster Wunsch wird im Bewussten durch das entgegengesetzte Bestreben ersetzt (und abgewehrt). Unter Umständen kann der Wunsch sich mit “schmutzigen” Dingen zu befassen, als Folge der Reaktionsbildung zu extremer Sauberkeit führen. So ist Philosemitismus sehr oft eine "Reaktionsbildung" auf unterschwelligen Antisemitismus, die Idealisierung von Andersfarbigen, oder Ausländern oft ein Hinweis heimlichen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Aggressives Verhalten kann sich als Folge einer Reaktionsbildung in devote Sanftmut verwandeln.
• Ungeschehenmachen: Jemand verhält sich in seinem Denken, Fühlen und Handeln so, als hätte ein Ereignis nicht stattgefunden oder als würde er es ungeschehen machen. Oft werden "magische" Handlungen (Zwangshandlungen) oder Rituale angewandt, die das ursprüngliche Ereignis rückgängig machen sollen.
• Verschiebung: Die Bedeutung oder der Affektgehalt eines Ereignisses wird auf ein anderes verschoben. Meist erfolgt die Verschiebung auf ein unwesentliches Detail, das mit dem ursprünglichen Geschehen in einer losen Verbindung steht.
• Verkehrung ins Gegenteil: Durch die Wendung der Aktivität zur Passivität wandelt sich das ursprüngliche Triebziel (z.B. die Lust am Nehmen, Beherrschen) in sein genaues Gegenteil (die Lust am Genommen werden, Beherrscht werden). So kann der Masochismus durch eine Umkehr vom Aktiven (Sadistischen) - zum Passiven erklärt werden.
• Wendung gegen die eigene Person: Der Triebrichtung wird von einem äußeren Objekt auf die eigene Person gelenkt. Das Ich übernimmt danach die Rolle eines äußeren Objektes. Durch die Wendung gegen die eigene Person werden sadistische Triebregungen zu masochistischen.
• Verneinung: Obwohl die heimlichen Wünsche, Gefühle und Gedanken schon bewusstseinsfähig sind, wird die wahre Absicht durch die Verneinung weiterhin verschleiert. “Nicht, dass Sie glauben, ....”, “Ich würde niemals sagen, dass ....", "Ich habe doch nicht gemeint, ...".
• Witzeln: Beim Witzeln oder im Witz werden können ebenfalls unbewusste aggressive oder sexuelle Inhalte zum Ausdruck kommen, ohne dass die tatsächliche Bedeutung bewusst wird.
• Rationalisierung: Unbewusst motivierte Gedanken, Absichten oder Handlungsweisen werden (nachträglich) “pseudologisch” gerechtfertigt. ("Ich war gar nicht wütend, ich hab nur so laut gesprochen, damit man mich besser hören konnte".)
• Intellektualisierung: Sie liegt dann vor, wenn ein Individuum sein Intellekt verwendet um unliebsame Triebimpulse abzuwehren. (Ein Mann, der eine Frau sexuell begehrt, mokiert sich in ihrer Gegenwart über frauenfeindliche Machos, die immer nur das eine wollen. Ein „Pornojäger“ meint er würde sich Pornos nur aus beruflichen Interesse ansehen). Die Grenzen zwischen Intellektualisierung und Rationalisierung sind fließend.
• Verdrängung: Ein Vorgang bei dem inakzeptable Triebabkömmlinge aus dem Bewusstsein gedrängt oder vom Bewusstsein ferngehalten werden. Dort wo die Verdrängung misslingt, kann es - durch die Wiederkehr des Verdrängten - zur Symptombildung kommen. Oft wird der Begriff “Verdrängung” synonym für die anderen Abwehrvorgänge verwendet.
Sublimierung (Kein Abwehrmechanismus im eigentlichen Sinn): Darunter wird der Vorgang der Triebverfeinerung verstanden. Der Trieb wird auf neue, nun mehr nicht sexuelle Objekte gelenkt. Erst die Sublimierungsfähigkeit des Menschen ermöglicht seine großen künstlerischen und intellektuellen Leistungen. Sublimierte Homosexualität führt zu inniger Freundschaft. Sublimierte sadistische Triebregungen sind unter Umständen der Kern für späteres chirurgisches Interesse.