Einleitung

Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Profitmaximierung bestimmen das wirtschaftliche Denken in der globalisierten Welt. Die Globalisierung hat nicht nur neue Märkte eröffnet, sondern dafür gesorgt, dass Unternehmen unter immer stärkerem Konkurrenzdruck stehen. Die Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit erfordert eine fortwährende Steigerung der Effizienz. In Ländern mit hohen Arbeitskosten liegt es Interesse eines Unternehmens, das Arbeitsaufkommen auf möglichst wenige Mitarbeiter zu verteilen. Die Rationalisierungen in den Betrieben haben dazu geführt, dass der Druck am Arbeitsplatz heute deutlich höher ist als vor 50 Jahren.

Der Belastungsfähigkeit der Mitarbeiter/innen sind natürliche Grenzen gesetzt. Menschen unterscheiden sich diesbezüglich nicht von Gummibändern. Manche Bänder reißen schon bei geringer Spannung, andere haben eine höhere Spannungstoleranz und sind belastbarer. Es gibt keine objektive Grenze, wie viel Arbeit einem Mitarbeiter zumutbar ist. Leistungsmotivierten kann das zum Verhängnis werden. Sie spüren oft nicht, wenn sie die Grenzen ihrer Belastungsfähigkeit überschreiten. Es liegt daher im Interesse eines Betriebs, Mitarbeiter/innen nicht zu überfordern und darauf zu achten, dass sie es nicht selbst tun. Das CCPS bietet Unternehmen die Möglichkeit, die Stressbelastung zu evaluieren. Dieses Analyseinstrument eignet sich in gleicher Weise dazu, manifeste und latente Stressverursacher auszumachen.


Stress am Arbeitsplatz

Die sich ständig verändernden Lebens- und Arbeitsbedingungen stellen in hohem Maße Anforderungen an die Lernbereitschaft und Motivation zur Neuorientierung und Veränderung eines Menschen. Die dabei entstehenden Überforderungssituationen werden im Falle unzureichend entwickelter, oder versagender psychischer Bewältigungsmechanismen mit einem körperlichen Beschwerdeangebot beantwortet. Die damit erreichte psychische Konfliktfreiheit (primärer Konfliktgewinn) ermöglicht in der Folge eine vorübergehende Befreiung von Verantwortung und beruflicher Verpflichtung (sekundärer Krankheitsgewinn).

Aufgrund eines sich ergänzenden Zusammenspiels besteht die Gefahr, dass körperliche Beschwerden die Bedeutung einer einzig möglichen und brauchbaren Konfliktlösung bekommen. Somit wäre der Weg in die Chronifizierung der Erkrankung eröffnet, der für die Betroffenen, aber auch gesundheitspolitisch und volkswirtschaftlich in eine Sackgasse mündet: Verminderte bis gänzlicher Verlust der Arbeitsfähigkeit, (immer) längere Krankschreibungen, Krankenhausaufenthalte, Kuraufenthalte, drohende Fixierung auf Frühpensionierung.

Was bedeutet Stress? Stress kommt aus dem Englischen und heißt so viel wie: Anstrengung, Druck. Stress ist ein Zustand außergewöhnlicher psychischer und physischer Anspannung. Menschen unter Stress befinden sich in erhöhter Alarmbereitschaft, was in unterschiedlichen körperlichen Reaktionen zum Ausdruck kommt: Das Herz schlägt schneller, der Blutdruck und die Atmungsfrequenz erhöhen sich, die Durchblutung des Gehirns und der Muskulatur ist erhöht, der Blutzuckerspiegel steigt und es kommt zu einer Hemmung der Sexualfunktionen und der Immunabwehr.


Eustress und Disstress

Die Stressreaktion hat in ihrer ursprünglichen Funktion einen positiven Sinn, denkt man an die körperlichen Anforderungen, denen der Mensch einmal ausgesetzt war. Die Belastungsfaktoren haben sich im Laufe der Jahrtausende verändert. Früher bedeuteten Kälte, Hunger oder körperliche Überforderung Stress, während sich Stress heute hauptsächlich in den Köpfen abspielt. Ein „dosierter“, d.h. regelmäßiger Eustress (positiver Stress) stimuliert das Immunsystem und wirkt anregend. Positiver Stress entsteht zum Beispiel beim Sport oder bei der zufriedenstellenden Lösung von schwierigen Aufgaben. Wer unter plötzlichem Zeitdruck einen Auftrag oder eine Arbeit erledigen muss, steht unter Eustress. Eustress sorgt dafür, dass ungeahnte Kräfte frei werden.

Chronisch erhöhter Stress ohne Aussicht, die Anforderungen körperlich oder psychisch zu bewältigen, wird als Disstress (negativ wirkender Stress) bezeichnet und führt zu Krankheiten verschiedenster Art. Bluthochdruck, Kopf- und Rückenschmerzen, Magen- und Darmerkrankungen, Depressionen sowie Sexual- und Schlafstörungen können eine Folge von Stress sein. In Stresssituationen ist die Anfälligkeit für alle möglichen Krankheiten erhöht. Es sind meist die langwierigen und schleichenden Belastungen, die die Widerstandskräfte des Körpers angreifen, vor allem wenn sie mit Gefühlen wie Trauer, Ohnmacht, Hilflosigkeit, Ausweglosigkeit, Angst und Verzweiflung verbunden sind. Dauerstress erschöpft die Energievorräte des Körpers und kann in Extremfällen sogar zum Tod eines Menschen führen.

Jeder Organismus reagiert auf alarmierende Reizeinwirkungen (auf einen „Stressor“), zum Beispiel auf eine Infektion, Verletzung oder Vergiftung, mit geeigneten Abwehrreaktionen. Auch seelische Stressoren (Probleme in der Partnerschaft, zwischenmenschliche Konflikte, Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, Überlastung, Termindruck, drohende Strafverfahren, der Tod einer nahe stehenden Person, Arbeitslosigkeit, Prüfungen, Umzug in eine andere Stadt) werden als Ereignisse wahrgenommen, die alle Kräfte mobilisieren, um die bedrohliche Situation zu bewältigen. Die Stressoren lassen sich zu drei Gruppen zusammenfassen:

Körperliche Stressoren: Dazu zählen Hitze, Kälte, Lärm, Hunger, Infektionen und Verletzungen.

Psychische Stressoren: Psychische Stressoren sind ungelöste Konflikte, Versagensängste, Leistungsüberforderung, Zeitdruck bzw. Unterforderung und Prüfungssituationen.

Soziale Stressoren: Darunter fallen zwischenmenschliche Konflikte, der Verlust von Angehörigen, Mobbing und Ablehnung durch andere Menschen.


Phasen der Stressreaktion

Stress ist mittlerweile zu einem der größten Gesundheitsrisiken in der modernen Arbeitswelt geworden. Dies ergab eine aktuelle Untersuchung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Danach nehmen Leistungsverdichtung, Arbeitstempo und Zeitdruck ständig zu. Jeder Dritte leidet permanent unter Stresssymptomen.

Der kanadische Arzt Hans Selye, eine Autorität auf dem Gebiet der Stressforschung, beschreibt drei Phasen einer Stressreaktion. In der ersten Phase, der Alarmreaktion, erkennt der Körper die Stresssituation und bereitet sich darauf vor zu handeln – entweder zu fliehen oder sich auf einen Kampf einzulassen. Endokrine Drüsen senden Hormone aus, die Herzjagen, beschleunigte Atmung, erhöhten Blutzuckerspiegel, starkes Schwitzen, erweiterte Pupillen und eine Verlangsamung der Verdauung zur Folge haben. In der zweiten Phase, der Widerstandsphase, baut der Körper die Stresshormone ab, die durch die Alarmreaktion ausgeschüttet wurden. Hält die Stresssituation an, bleibt der Körper im Alarmzustand und es drohen schädliche Folgen. Wird der Widerstand länger aufrechterhalten, tritt als dritte Phase die Erschöpfung ein, aus der in vielen Fällen eine stressbedingte Gesundheitsstörung resultiert. Dauerstress erschöpft die Energievorräte des Körpers und kann in Extremfällen zum Tod führen.

Schwerwiegende negative Ereignisse wie der Tod einer nahe stehenden Person sind in der Lage, so großen seelischen Schmerz auszulösen, dass die Abwehrkräfte des Körpers geschwächt werden. Selbst positive Veränderungen wie ein neuer Arbeitsplatz oder die Geburt eines neuen Familienmitglieds können die normale Fähigkeit eines Menschen, Krankheiten abzuwehren, beeinträchtigen. Chronischer Stress schädigt das Immunsystem. Unsere Arbeits- und Lebensbedingungen haben sich in den letzten Jahrzehnten entscheidend geändert. Leider nicht nur zu unserem Vorteil. Denn immer mehr Menschen klagen heute über Stress: Stress am Arbeitsplatz, Stress in der Familie, ja sogar Stress in der Liebe.

Während milder Stress sogar positive Folgen für unser Wohlbefinden hat, bewirkt eine dauernde chronische Überforderung das genaue Gegenteil. Es ist mittlerweile längst Allgemeinwissen, dass übermäßiger Stress die Entstehung von Herz- und Kreislauferkrankungen begünstigt. Weniger bekannt ist allerdings, dass er gleichzeitig auch unser Immunsystem schädigt. Der deutsche Mediziner Thure von Uexküll, der als Begründer der modernen Psychosomatik gilt, hat wiederholt darauf hingewiesen, „dass Verbindungen zwischen Persönlichkeit, Stress und Reaktionen des Immunsystems bestehen“.

Mittlerweile beschäftigt sich ein eigener Wissenschaftszweig, die Psychoneuroimmunologie, mit den Wechselwirkungen, die zwischen der Psyche, dem Gehirn und dem natürlichen Heil- und Abwehrsystem des Körpers, dem Immunsystem, bestehen. Obwohl die Vorstellung der Einheit von Körper und Geist schon in der Antike vorhanden war, war sie als Grundlage einer seriösen wissenschaftlichen Betrachtung über Jahrhunderte undenkbar. Erst durch die Psychoanalyse und die Psychiatrie, die den Begriff der „psychosomatischen Krankheiten“ geprägt haben, wurde der Gedanke, dass psychische Störungen zu körperlichen Erkrankungen führen können, wieder in das westliche medizinische Denken eingeführt.

Zwischen Immun-, Nerven- und Hormonsystem besteht ein hochkompliziertes Zusammenspiel. Schaltstellen der Regelkreise sind das Gehirn mit der Hirnanhangdrüse (Hypophyse), die Nebennieren und die Immunzellen selbst. Zwischen den Systemen findet eine lebhafte Kommunikation statt: Von den „Außenstellen“ werden Signale zum Gehirn geschickt. Das Immunsystem sendet zum Beispiel Informationssubstanzen in den ganzen Körper, die über eingedrungene Bakterien, Viren oder Tumore informieren, um über das Gehirn eine entsprechende Körperreaktion zur Bekämpfung der Mikroben und Tumore zu erreichen. Diese Regelkreise und Informationswege zwischen Nerven- und Immunsystem können durch den Einfluss von Gedanken, Vorstellungen und Gefühlen gesteuert und damit zur Heilung benutzt werden.

Es ist erwiesen, dass psychische Faktoren bei der Entwicklung vieler schwerer Krankheiten (einschließlich Herzerkrankungen, Krebs und Schlaganfällen) eine Rolle spielen, ebenso bei Störungen wie Magengeschwüren, hohem Blutdruck, Infektionskrankheiten, Migräne, Rückenschmerzen, Hautkrankheiten, Übergewicht, Asthma und Diabetes. Nicht umsonst spricht der Volksmund davon, dass einem etwas „im Magen liegt“, „an die Nieren geht“, „das Herz bricht“, „die Kehle zuschnürt“ oder etwas „zum Aus-der-Haut-Fahren“ ist.

Die Beeinträchtigung des Immunsystems durch dauernde psychische Überbelastung erhöht daher das Krankheitsrisiko erheblich. Vor allem die Anhäufung belastender Lebenssituationen – wissenschaftlich „life-events“ –, wie der Tod nahe stehender Menschen, Scheidungen, einschneidende Lebensveränderungen, der Verlust des Arbeitsplatzes, der Wechsel des Wohnsitzes, Verurteilungen, aber auch andauernde finanzielle Belastungen, chronische Konflikte am Arbeitsplatz, ständiger Zeitdruck und vieles mehr, was unseren Stresspegel hebt, erhöhen das Krankheitsrisiko signifikant. Ein Mensch ist daher umso gefährdeter, je mehr stresserzeugende Erlebnisse er im Laufe eines Jahres hat.

 

Sekundäre Stressfolgen - Nikotin- und Alkoholmissbrauch

Bei den meisten Menschen führt fortdauernder Stress zu einem chronischen Spannungszustand, der nach Abfuhr schreit. Nicht immer sind die Strategien, die dabei angewandt werden, der körperlichen Gesundheit zuträglich. Dass Stressgeplagte oft Raucher sind, vermehrt dem Alkohol zusprechen oder beim Essen über die Stränge schlagen, ist kein Zufall. Nikotin und Alkohol wohnt eine entspannende Wirkung inne und auch Essen hilft, Spannung abzubauen.

Wohin Spannungsrauchen, Spannungstrinken und Spannungsessen führen, bedarf keiner weiteren Erörterung. Raucherschäden, Alkoholismus und Übergewicht sind bekannte Leiden, die oft genug auf chronischen Stress zurückgehen. Falsche Ernährung und Bewegungsmangel tun ein Übriges, den Organismus nachhaltig zu schädigen.

Effektives Stressmanagement muss daher nicht nur die Beseitigung der unmittelbaren Stressoren im Auge behalten, sondern auch stressbedingte ungesunde Lebens- und Ernährungsgewohnheiten korrigieren.

 

Risikofaktor Rauchen

Das im Tabak enthaltene Nikotin ist weltweit die am meisten verbreitete psychoaktive Droge. Wenn es in hohen Dosen konsumiert wird, kann es tranceartige, mystische Zustände hervorrufen. Diese Wirkung von Nikotin war schon den Ureinwohnern Nordamerikas bekannt, die es deswegen gerne bei rituellen Handlungen einsetzten. Aber eben nur dort, weil sie auch die abhängigkeitserzeugende Wirkung der Droge kannten. Heute kann vom maßvollen Gebrauch des Nikotins keine Rede mehr sein. Im deutschprachigen Raum raucht rund ein Drittel der Bevölkerung.

Allgemeine Risiken des Rauchens:

- Die Haut wird schlechter durchblutet. Sie altert rascher.

- Der Alterungsprozess wird beschleunigt.

- Es gibt eine allgemein erhöhte Krankheitshäufigkeit.

- Laut der amerikanischen Krebsgesellschaft verkürzt das tägliche Rauchen von 20 Zigaretten die Lebenserwartung um durchschnittlich 8,3 Jahre.

- Andere Studien besagen, dass sich die Lebensdauer eines Durchschnittsrauchers um etwa acht Jahre verkürzt.

- Alle zehn Sekunden stirbt laut Schätzungen der WHO ein Mensch an den Folgen des Tabakkonsums, pro Jahr rund drei Millionen.

- Tabak fordert 30-mal so viele Menschenleben wie AIDS und 50-mal so viele wie illegale Drogen.

 

Krankheitsrisiken als Folge des Rauchens

Herz- und Kreislauferkrankungen:

Sie sind bei Rauchern die häufigste Todesursache. Rauchen bewirkt kurzfristig eine akute Verengung der Blutgefäße. Langfristig schädigt Rauchen das Gefäßsystem. Die durch Rauchen begünstigte Arteriosklerose (Gefäßverkalkung, Gefäßverengung, Gefäßverschluss) betrifft vor allem die Aterien des Herzens (Angina Pectoris, Herzinfarkt), des Gehirns (Schlaganfall) und der Gliedmaßen (Raucherbein). Von den jüngeren Menschen unter 40 Jahren bekommen fast ausschließlich nur Raucher einen Herzinfarkt. Durchschnittlich haben Raucher um zehn Jahre früher den ersten Herzinfarkt. In Verbindung mit anderen Risikofaktoren wie Übergewicht, Bluthochdruck, negativem Stress, wenig bis keine Bewegung, Alkohol, bei Frauen die Pille, steigt das Herzinfarktrisiko um ein Vielfaches.

Krebs:

Rauchen erhöht das Krebsrisiko um den Faktor 10. Im Tabakrauch befinden sich rund 40 krebserregende Substanzen. Alle Organe, die direkt oder indirekt mit dem Zigarettenrauch oder seinen Inhaltsstoffen in Berührung kommen, sind gefährdet: Krebserkrankungen der oberen Atemwege wie Lunge, Mundhöhle, Zahnfleisch, Lippen, Zunge, Rachen, Kehlkopf, Speiseröhre, Luftröhre und Bronchien, aber auch Magen-, Bauchspeichel-, Nieren-, Blasen-, Harnröhren-, Zwölffingerdarm-, Dünndarm-, Dickdarm-, Enddarm-, ja sogar Gebärmutterhalskrebs treten bei Rauchern häufiger auf. Aber: Zehn Jahre nach der letzten Zigarette ist das Risiko, an Lungenkrebs zu sterben, wieder gleich hoch wie bei Nichtrauchern.

Chronische Bronchitis:

Chronische Erkrankung der Atemwege, für die der Teer im Rauch verantwortlich ist. Typisches Symptom: der Raucherhusten in Verbindung mit einem gelb-grünlichen Auswurf. Wird mit dem Rauchen aufgehört, gibt sich die chronische Bronchitis meist wieder.

Emphysem:

Auf Deutsch Lungenblähung. Bei dieser Erkrankung werden beim Ausatmen die Lungenbläschen niemals ganz geleert, was dazu führt, dass sie sich ausdehnen und sogar platzen. Im Spätstadium dieser Erkrankung wird das Atmen zur Qual. In schweren Fällen können Patienten nur mehr mit einem Sauerstoffgerät überleben.

Osteoporose:

Der altersbedingte Knochenschwund wird durch Rauchen beschleunigt.

 

Wege in die rauchfreie Zone

Heute sind die Risiken des Aktiv- und Passivrauchens den meisten bekannt. Trotz der vielfältigen Angebote gelingt es einem großen Teil der Raucher nach wie vor nicht, ihr gesundheitsschädigendes Verhalten dauerhaft zu verändern. Aus Scham wird das „Nichtkönnen“ nach außen hin oft als ein „Nichtwollen“ dargestellt. Die Aufrechterhaltung des Nikotinkonsums wird mit der Angst vor Gewichtszunahme, höherer Konzentrations- und Leistungsfähigkeit gerechtfertigt. Tatsächlich verhält es sich genau umgekehrt.

Die Zeiten, als Raucher bei der Arbeit am Glimmstängel saugen konnten, sind vorbei. In immer mehr Unternehmen gilt Rauchverbot. Wer heute in der Arbeit rauchen will, muss seinen Arbeitsplatz verlassen, um seine Kollegen nicht zu schädigen. Diese Arbeitsunterbrechungen stören nicht nur die Konzentration, sie verringern auch die Leistung. Abgesehen davon, dass bedingt durch die Rauchpausen die Fehlerquote steigt. Auf längere Sicht kostet das dem Raucher Lebenszeit und dem Unternehmen Geld.

Kein Raucher ist selbst schuld daran, wenn er nicht „kraft seines Willens“ oder „kraft seiner Vernunft“ fähig ist, dem Laster zu entsagen. Erst die Einsicht in die unbewusste Bedeutung des Rauchens mit Hilfe einer geeigneten Psychotherapie bewirkt bei den meisten Rauchern eine Einstellungsänderung und ist der Startschuss in eine rauchfreie Zukunft. Allerdings ist die psychotherapeutische Behandlung der Abhängigkeit kein Spaziergang. Es kann schon einige Jahre dauern, bis die Gier nach Zigaretten dauerhaft überwunden ist.

Trotzdem zahlt sich dieser Weg aus. Denn mit dem Rauchen aufzuhören, verlängert nicht nur die Lebenszeit, sondern erhöht auch die Lebensqualität entscheidend. Letztlich befreit die Abstinenz Raucher vom wachsenden Druck, dem sie seitens ihrer nichtrauchenden Kollegen in den Betrieben (zu Recht) ausgesetzt sind. Für Menschen, die schon mehrfach erfolglos versucht haben, mit dem Rauchen aufzuhören, empfiehlt sich eine Kombination aus stationärer und ambulanter Therapie.

Für 3 bis 5 % der Menschen im deutschsprachigen Raum bleibt das „allerletzte Flascherl“ immer nur das vorletzte! Für sie ist der Griff zum Glas nicht mehr nur Genuss, sondern Zwang. Die Grenzen zwischen dem gemütlichen Zecher, der sich ab und zu einen guten Schluck genehmigt, und dem hemmungslosen Säufer sind unscharf. Mehr als jeder Zehnte im deutschsprachigen Raum läuft Gefahr, sie zu überschreiten. In einer vom ifat (2007) durchgeführten Studie geben 8,2 % der befragten Frauen und 17,6 % der Männer an, dass sie Alkohol für ihr Wohlbefinden benötigen. Der Umgang mit Alkohol ist in unserer Kultur so selbstverständlich geworden, dass sich kaum einer der Gefahren des Stimmungsmachers bewusst ist: Es handelt sich beim Alkohol um eine gefährliche, abhängig machende Droge, deren chronischer Missbrauch zu schweren körperlichen und psychischen Schäden führt.

Alkoholismus ist nach wie vor das bedeutsamste sozialmedizinische Problem in unserem Kulturkreis. Die Schäden, die durch die Alkoholabhängigkeit hervorgerufen werden, sind gravierend. Sie betreffen den Körper, die Psyche und das soziale Umfeld des Alkoholkranken. Aber auch die wirtschaftlichen Einbußen des Staates sind exorbitant. Trotz großer Anstrengungen ist bisher keinem Land ein nennenswerter Erfolg im Kampf gegen den Alkoholismus gelungen. Im Gegenteil: Es hat sogar den Anschein, als würden immer mehr, vor allem junge Menschen, exzessiver dem Alkohol zusprechen. Heute schätzt man im deutschsprachigen Raum die Zahl der latent und manifest Alkoholabhängigen etwa auf 5 % der Gesamtbevölkerung. Die Zahl der Alkoholgefährdeten liegt bei etwa 12 % mehr als doppelt so hoch. Während geringer Alkoholkonsum bei Personen über 50 Jahren das Herzinfarktrisiko senkt, steigert regelmäßiger Alkoholkonsum (schon ab 28 Gramm pro Tag) das Krankheitsrisiko für eine Reihe von anderen Krankheiten – darunter Krebserkrankungen. Das Herzinfarktrisiko nimmt bei regelmäßigem Konsum ab einer Menge von 39 Gramm pro Tag ebenfalls rapid zu. Niemand, der übermäßig Alkohol konsumiert, sollte sich über die gesundheitsschädigende Wirkung seines Verhaltens Illusionen machen. Alkohol ist ein Nerven- und Zellgift. In höheren Dosen schädigt er das Nervensystem und führt zum Absterben von Nervenzellen. Dabei wird das Gehirn in Mitleidenschaft gezogen. Die alkoholbedingten Ausfälle bei der Weiterleitung von Nervensignalen beeinträchtigen unter anderem die sexuelle Erregbarkeit sowie die Erektionsfähigkeit des Mannes. Da Alkohol durch das Blut über den ganzen Körper verteilt wird, kommt es bei regelmäßig erhöhtem Konsum in allen Bereichen des Organismus zu Zellschädigungen. Wenn Sie wissen wollen, ob sich Ihre Trinkgewohnheiten bereits negativ auf Ihre Gesundheit auswirken, verwenden Sie zur Berechnung die folgende Formel.

Berechnung des Alkoholgehaltes in Gramm:

Der Einfachheit halber kann man davon ausgehen, dass jedes „Glas Alkohol“ im Durchschnitt 10 Gramm Alkohol enthält. Werte über 15 Gramm bei Frauen und über 30 Gramm bei Männern sprechen für ein erhöhtes Risiko. Wer es es aber genau wissen will, berechnet den Alkoholgehalt mit dieser Formel: Das Gewicht des Alkohols (in Gramm) bezogen auf 100 ml Flüssigkeit berechnet sich aus dem Alkoholvolumen (Vol.-% in ml) mal 0,8. Hier ein Beispiel: Das berühmte „Krügerl“ enthält 20 Gramm Alkohol. 100 ml Bier enthalten 5 Vol-% Alkohol x 0,8 = 4 Gramm; ein halber Liter = 500 ml enthält daher 20 Gramm.

Einige Richtwerte:

- Bier (330 ml, 5 Vol.-% Alkoholgehalt): 13 Gramm Alkohol.

- Wein (125 ml, 12 Vol.-% Alkoholgehalt): 11,8 Gramm Alkohol.

- Cognac (4 cl, 40 Vol.-% Alkoholgehalt): 12,6 Gramm Alkohol.


Risikogruppe:

Besonders gefährdet, vom Alkohol abhängig zu werden, sind Menschen, die unter Angstzuständen, Hemmungen, Depressionen, Selbstunsicherheit, sexueller Frustration, Gefühlen der Langeweile und Leere, chronischem Stress oder bestimmten (zum Beispiel narzisstischen) Persönlichkeitsstörungen leiden. Aber auch Kinder von Alkoholikern haben ein erhöhtes Risiko.


Allgemeine Risiken:

- Herabgesetzte Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit

- Beeinträchtigung der Wahrnehmung und Urteilskraft

- Koordinations-, Sprach-, Sehstörungen

- Erhöhte Unfallgefahr

- Erhöhte Gewaltbereitschaft als Folge der enthemmenden Wirkung des Alkohols (ein Großteil der Gewaltdelikte erfolgt unter Alkoholeinfluss)

- Bei regelmäßigem Konsum erhöhte Abhängigkeits- und Suchtgefahr


Krankheitsrisiken:

- Fettleber, Leberentzündung, Leberzirrhose, Leberkoma, Leberkrebs

- Mund- oder Rachenkrebs, Speiseröhrenkrebs, Kehlkopfkrebs, Brustkrebs bei Frauen

- Veränderung der Bauchspeicheldrüse

- Veränderung des Herzens (Erweiterung des Herzmuskels)

- Schädigung des zentralen und peripheren Nervensystems (Hirnatrophie, Polyneuropathie)

- Schädigung der Muskulatur (Muskelatrophie)

- Störungen des Hormonhaushaltes durch Absinken des Testosteronspiegels (führt bei Männern zur Verweiblichung)

- Angstzustände, Depressionen, Stimmungsschwankungen

- Soziale Verelendung, Isolation

- Selbstmordgefahr

 

Bis zu 20 % aller Todesfälle gehen direkt oder indirekt auf Alkoholmissbrauch zurück.


Erkennen der Abhängigkeit:

- Wer beim täglichen Konsum die Grenze von 10 bis 15 Gramm bei Frauen oder 20 bis 30 Gramm bei Männern regelmäßig überschreitet, ist in Gefahr.

- Bei unregelmäßigem, exzessivem Alkoholkonsum, sollten Erinnerungslücken, Kontrollverlust, Handlungen, die einem im Nachhinein peinlich sind, ein ernstzunehmendes Warnsignal sein.

- Wer über den ganzen Tag einen konstanten Alkoholspiegel braucht, um sich „gut“ zu fühlen, darf sich ebenfalls keine Illusionen machen.

- Weitere Indikatoren, die für Abhängigkeit sprechen: Unruhe, wenn kein Alkohol verfügbar ist, Anlegen eines „Alkoholvorrates“ an. Die Gedanken kreisen häufig um Alkohol. Gefühle der Angst und inneren Unruhe, das sich nach dem ersten Glas Alkohol verflüchtigt. Gewissensbisse und Schuldgefühle nach übermäßigem Konsum. Wiederholte Vorsätze, das Trinkverhalten zu ändern.

 

Gedankenanstöße zur Änderung der Trinkgewohnheiten bei Alkoholabhängigkeit

Jeder, der mit dem Trinken wirklich aufhören will, kommt um eine grundlegende Desillusionierung nicht herum. Die unvermeidlichen Versprechungen nach jedem Alkoholexzess, „jetzt aber wirklich aufzuhören“, gehören genauso zum Selbstbetrug wie das Selbstmitleid und die Schuldzuschreibungen, bei der bestimmte Umstände für das eigene Versagen verantwortlich gemacht werden. Auch die Hoffnung, vom Alkohol (zum Beispiel mit Hilfe von Medikamenten oder Hypnose) wegzukommen, ohne dass damit ein umfassender und schmerzhafter Verzicht in Kauf genommen werden müsste, ist Teil der Realitätsverleugnung. Wer ernsthaft mit dem Trinken aufhören will, wird um professionelle Unterstützung kaum herumkommen.

Unbehandelter Stress kommt teuer

Der volkswirtschaftliche Schaden, der den deutschsprachigen Ländern als Folge primär oder sekundär stressbedingter, psychischer und psychosomatischer Erkrankungen erwächst, ist enorm. In Deutschland und Österreich beträgt der geschätzte Schaden an die 100 Millionen Euro. Es liegt daher im wirtschaftlichen und politischen Interesse jedes Landes, hier zukunftsweisende Konzepte zu entwickeln, die eine „Trendumkehr“ bei den durch Stress verursachten Erkrankungen bewirken. Die zu entwickelnden Konzepte müssen auf empirischer Erfahrung im Rahmen einer zu gründenden Behandlungseinrichtung und daran anschließender, intensiver Konfliktforschung in den Bereichen Arbeitsplatz und Familie beruhen.

Unmittelbare Stressfolgen. Das Herz-Kreislauf-System, das am schnellsten auf Stress reagiert, ist am anfälligsten für Erkrankungen durch Stress. Jede psychische Belastung durch Stress führt zu einer Aktivierung des Kreislaufsystems. Das Herz schlägt schneller, die Durchblutung wird auf die notwendigen Organe beschränkt, der Blutdruck erhöht sich. Weitere stressbedingte Störungen, die häufig auftreten, sind gastrointestinale Erkrankungen (Störungen des Magen- und Darmtraktes). Es können sich Magengeschwüre bilden, die durch eine Überproduktion von Magensaft oder eine Überempfindlichkeit der Magenschleimhaut zustande kommen, was zu Übelkeit und Magenschmerzen führt. Eine Entzündung des Dick- oder Dünndarms kann ebenso eine Folge von Stress sein.

Erkrankungen der Atemwege, wie zum Beispiel Asthmaanfälle, sind durch pfeifendes Atmen, Keuchen und ein starkes Beengungsgefühl gekennzeichnet und können durch emotionale Spannungen ausgelöst werden. Darüber hinaus kann Stress viele Hauterkrankungen, deren Symptome von Juckreiz und Schmerz bis zu Ausschlägen und Pusteln reichen, verursachen oder verschlimmern. Eine Verschiebung des Hormonhaushaltes, Zyklusstörungen bei der Frau und sexuelle Funktionsstörungen können bei großer Belastung und Anspannung ebenso auftreten wie Schlafstörungen und chronische Müdigkeit. Weitere Stressfolgen. Im kognitiven Bereich führt Dauerstress zur Einengung von Wahrnehmung und Informationsaufnahme (Scheuklappeneffekt). Auch Lern- und Gedächtnisleistungen nehmen messbar ab. Durch die emotionale Überforderung treten Symptome wie Aggressionsbereitschaft, Unausgeglichenheit, Gefühlsschwankungen, Angstgefühle, Nervosität, Depressionen, Apathie und Gereiztheit auf.

Im muskulären Bereich sind chronische Verspannungen ganzer Körperpartien eine weitere unangenehme Folge von Stress. Ständige Anspannung verbraucht übermäßig viel Energie, man ermüdet vorzeitig. Meist wird Verspannung nicht rechtzeitig wahrgenommen, sondern erst beim Auftreten von Schmerzen (zum Beispiel Spannungskopfschmerz als Folge von Verspannung der Nackenmuskulatur). Allgemeine Verspanntheit, leichte Ermüdbarkeit, Entspannungsunfähigkeit, Rücken- und Kopfschmerzen etc. können Warnsignale sein, die auf eine hohe Stressbelastung hindeuten. Es gilt die Ursachen und die Wirkung der Stressoren in Bezug auf den jeweiligen Menschen herauszufinden und eine gezielte Behandlung vorzunehmen. Am besten ist es jedoch, präventive Maßnahmen zu setzen, um stressbedingte Krankheiten zu verhindern. Grundsätzlich wird beim Stress zwischen Erkrankungen nach dem Stresstyp A (Herz-Kreislauf-Erkrankungen) und dem Stresstyp C (Krebserkrankungen als Folge eines geschwächten Immunsystems) unterschieden.

 

Stresstyp A

Die Bezeichnung Stresstyp A geht auf die amerikanischen Herzspezialisten Friedman und Rosenman zurück. Sie fanden bei einer Reihe von Herzpatienten Ähnlichkeiten in deren Persönlichkeitsstruktur und Verhaltensmustern. Diese Herzkranken waren vor allem aggressiver, gereizter, ungeduldiger als der Durchschnitt. Ihre zwischenmenschlichen Beziehungen waren von Feindseligkeit und Missgunst geprägt. Sie neigten verstärkt zu Konkurrenzstreben und rivalisierendem Verhalten. Wenn es darum ging, ein Ziel zu erreichen oder andere zu schlagen, waren sie durchaus bereit, Raubbau an ihren psychischen und körperlichen Ressourcen zu betreiben.

Menschen vom Stresstyp A neigen zu erhöhter Aggressivität und Reizbarkeit und stehen fast immer unter Druck: unter Zeitdruck, Leistungsdruck und Erfolgsdruck. Hektik steht an der Tagesordnung (Louis de Funès). Ruhe, Entspannung und Geduld sind solchen Menschen weitgehend unbekannt. Die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, sind unerfreulich. Vor allem in Verbindung mit zusätzlichen Risikofaktoren (Nikotin, Alkohol) zählen sie zu der Gruppe mit erhöhtem Herzinfarktrisiko. Eine Verbesserung der Stressbewältigungsstrategien mindert das Infarktrisiko entscheidend.

 

Stresstyp C

Das schlechte Stressmanagement des Typs C schwächt auf die Dauer vor allem das Immunsystem. Da erwiesenermaßen ein Zusammenhang zwischen chronischer Immunschwäche und der Zunahme von Krebszellen besteht, wird angenommen, dass der Risikotyp C über ein erhöhtes Krebsrisiko verfügt. Daher auch die Bezeichnung Typ C (von englisch „cancer“, Karzinom). Diese Annahme wurde durch empirische Studien vorerst erhärtet, später wieder in Frage gestellt, weil diese Untersuchungen durchwegs an Patienten durchgeführt wurden, die bereits an Krebs erkrankt waren. Es ist durchaus möglich, dass die depressive Symptomatik erst als Reaktion auf die Erkrankung entstanden ist. Anders als der Typ A, der wegen jeder Kleinigkeit „in die Luft geht“, reagiert der Stresstyp C auf Belastungen implosiv, konfliktscheu und aggressionsgehemmt.

Vertreter dieses Typus neigen dazu, ihren Ärger in sich hineinzufressen. Im zwischenmenschlichen Kontakt suchen sie Bestätigung oder ordnen sich leicht unter. Was ihre Beziehungen anbelangt, so machen sie sich leicht von anderen Menschen abhängig. Hinsichtlich ihrer Persönlichkeit zeichnen sie sich durch erhöhte Ängstlichkeit, Unsicherheit, geringes Selbstvertrauen und erhöhte Kränkbarkeit aus. Im Alltag sind sie sehr hilfsbereit. Sie tendieren zu erhöhter Selbstkritik und Schuldgefühlen. Es fällt ihnen sehr schwer, Nein zu sagen. Ihre Grundstimmung ist eher gedrückt.

 

Vom Arbeitsunfall zum Burnout

Seit 1926 das erste Wiener Arbeiterunfallkrankenhaus im 20. Wiener Gemeindebezirk in der Webergasse errichtet wurde, hat in der Arbeitswelt eine grundlegende Verschiebung von der körperlichen zur nichtkörperlichen, „geistigen“ Arbeit stattgefunden. Mit den neuen Arbeitsanforderungen haben sich die gesundheitlichen Risiken für die Arbeitnehmer geändert. Heute, wo schwere körperliche Arbeiten zunehmend von Maschinen verrichtet werden, ist die Zahl der Arbeitsunfälle gemessen an den Produktionszahlen rückläufig. Klassische Arbeitsunfallkrankenhäuser – damals eine richtige Antwort auf die Gegebenheiten der Zeit – decken den Bedarf nicht mehr ab. Die heutige Arbeitswelt ist weniger durch Arbeitsunfälle im herkömmlichen Sinn als durch stressbedingte Herz- und Kreislauferkrankungen oder Krankheiten als Folge eines geschwächten Immunsystems charakterisiert.

Kaum eine Berufsgruppe kann sich heute den stressbeladenen Anforderungen am Arbeitsplatz entziehen. Überdurchschnittlich hohes Herzinfarktrisiko, erhöhter Cholesterinspiegel, Alkohol- und Nikotinmissbrauch, Erschöpfungszustände, Schlafstörungen, psychische und familiäre Krisen sind häufig die Kehrseite unserer Leistungsgesellschaft. Lange Krankenhausaufenthalte oder gar das endgültige Ausscheiden von oft relativ jungen Arbeitskräften als Folge berufsbedingter Stresserkrankungen belasten nicht nur die Betroffenen und deren Familien, sondern auch den Betrieb und letztlich die Steuerzahler, die den Ausfall finanzieren müssen.

 

Stressprävention – warum?

Eine solche Initiative ist aus verschiedenen Gründen dringend notwendig. Nicht zuletzt deshalb, weil die europäischen Gesundheitssysteme in Zukunft nur noch dann finanzierbar sind, wenn die Menschen entweder wesentlich länger arbeiten als heute (was allein schon aus biologischen Gründen, des Nachlassens der Arbeitskraft im Alter, nicht für alle in Frage kommt) oder länger gesund bleiben.

Im alten China wurden Ärzte für die Erhaltung der Gesundheit bezahlt. Bei uns kommt der Arzt meist erst dann ins Spiel, wenn der Krankheitsfall eingetreten ist. Niedergelassene Ärzte, Ambulatorien, Spitäler, sie alle dienen der Wiederherstellung von Gesundheit. Obwohl man heute die gesundheitsgefährdenden Risikofaktoren kennt und weiß, dass seelisches Wohlbefinden, konfliktfreies Zusammenleben, sexuelle Erfüllung, berufliche Zufriedenheit, gesunde Ernährung und ausreichende Bewegung die Erhaltung der Gesundheit fördern, fehlt es bei der Umsetzung. Gesundheit und Krankheitsverständnis. Bereits 1946 definierte die WHO „Gesundheit“ als das umfassende physische, psychische und soziale Wohlbefinden eines Menschen.

Mit diesem Gesundheitsverständnis – anders als in der Medizin, wo Gesundheit als Abwesenheit von Krankheit definiert wird – werden Gesundheitsstörungen deutlich gemacht, bei denen das Wohlbefinden eines Menschen durch Belastungen, Konflikte oder Krisen beeinträchtigt ist (zum Beispiel durch berufliche Belastungen, Konflikte am Arbeitsplatz, Angst vor Arbeitsverlust oder Arbeitslosigkeit). Auf solche Ungleichgewichtszustände kann der Organismus kurzfristig mit einer Krankheit reagieren (zum Beispiel Grippe). Insofern ist eine vorübergehende Erkrankung auch ein „gesunderhaltendes Refugium“. Können hingegen Ungleichgewichtszustände aus eigenen Ressourcen (Anpassungs-/Bewältigungsmechanismen) nicht mehr korrigiert werden, kommt es zu akuten und chronischen Krankheitszuständen.

 

Gesundheit ist ein komplexes System

Der menschliche Organismus ist ein komplexes System. Gesundheit ist nach Alberto Gandolfi „wahrscheinlich ein Gleichgewichtszustand zwischen Ordnung und Chaos“. Sowohl innere als auch äußere Faktoren können das komplexe Gleichgewicht eines Organismus jederzeit zum Kippen bringen. Wenn zum Beispiel krebserregende Substanzen, übermäßige UV-Bestrahlung durch die Sonne, Immunschwäche oder spontane Mutationen der DNA eine ungehemmte Zellvermehrung nach sich ziehen. „Die durchgedrehte Zelle vermehrt sich nun wie in einem Science-Fiction-Thriller. Wild und hemmungslos. Das System versucht verzweifelt, sie zu bremsen, und schickt ihr Stoppsignale, doch sie reagiert nicht, bricht den Kontakt mit dem Rest des Körpers ab und beginnt ihren Todesmarsch. In anderen Worten: Das System wandert in die Region des chaotischen Zustands ab. Die Zelle reproduziert sich chaotisch und der chaotische Bereich weitet sich im Inneren des Körpers langsam aus.“ (Gandolfi, 2001)

Durch die Fähigkeit zur Selbstorganisation, die allen komplexen Systemen, somit auch dem menschlichen Organismus innewohnt, kann der chaotische Zustand ohne äußeres Zutun wieder in einen stabilen, komplexen übergehen. Das ist dann der Fall, wenn die Tumorzellen rechtzeitig vom Immunsystem entdeckt und zerstört werden. Der chaotische Zustand konnte sich dann nur lokal ausbreiten. Nach Gandolfi entsteht eine Krankheit durch den Übergang eines komplexen (sich selbst regulierenden, funktionierenden) Systems in einen zu geordneten (erstarrten) oder zu chaotischen Zustand.

Wann endet die Gesundheit und beginnt die Krankheit? Erst wenn das biologische System chaotisch wird oder dann, wenn entsprechende Faktoren dazu beitragen, es zu destabilisieren? Ab welchem Zeitpunkt ist ein Raucher „krank“? Ab dem Augenblick, wo er mit den Rauchinhaltsstoffen zum ersten Mal seinen Gesundheitszustand gefährdet, oder erst dann, wenn sich die Tumorbildung in seiner Lunge vollzogen hat? Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine gesundheitserhaltende Intervention? Wenn Menschen zu rauchen beginnen oder wenn sie an den Folgen des Rauchens sichtbar erkrankt sind?

 

Arbeit ohne Angst und Stress

Nicht nur biologische Organismen wie der Mensch, auch wirtschaftliche Unternehmen sind komplexe Systeme, deren Effizienz von vielen Einflussvariablen bestimmt wird. Nicht zuletzt von der psychischen und somatischen Befindlichkeit seiner Mitarbeiter. Je größer der subjektive Beschwerdendruck, umso geringer die Ressourcen, die zur Bewältigung der Arbeitsanforderungen zur Verfügung stehen. Es ist bekannt, dass Stress negative Auswirkungen auf die Arbeitsleistung hat. Mit Zunahme der Stressbelastung sinkt die Leistungsfähigkeit und steigen die Krankenstände. Ob und wie sehr sich ein Mensch am Arbeitsplatz belastet fühlt, hängt nicht nur von den äußeren Bedingungen ab. Erst das Zusammenspiel von exogenen und endogenen Stressoren erklärt das Ausmaß der subjektiven Stressbelastung. Fast jeder denkt bei Stress an Zeitdruck, Arbeitsüberlastung, unangenehme Auseinandersetzungen mit Vorgesetzten und Kollegen. Doch Stress hat nicht nur äußere Ursachen. Er kann ebenso als Folge ungelöster psychischer Konflikte entstehen oder durch sie verstärkt werden. Ängstliche Menschen sind von Haus aus stressanfälliger sind. Äußerer Druck ruft bei Ängstlichen eine ungleich stärkere Reaktion hervor. Je belasteter ein Mensch im psychischen Bereich ist, umso schwerer fällt es ihm, ungeachtet seiner beruflichen Qualifikation, den Anforderungen des Arbeitsalltags gerecht zu werden. Rund ein Drittel der Arbeitskräfte ist aus psychischen Gründen nicht in der Lage, in der Arbeit ihr vorhandenes Leistungspotenzial voll auszuschöpfen. Im übertragenen Sinn fahren diese Menschen auf nur einem Zylinder. Psychische Probleme wirken sich auf folgende Bereiche meist negativ aus und beeinträchtigen dadurch die Leistungsfähigkeit und die Fähigkeit zur Kooperation:

- Kommunikation und Beziehung

- Frustrations- und Spannungstoleranz

- Impulskontrolle

- Kritikfähigkeit

- Teamfähigkeit

- Motivation

- Konzentrationsfähigkeit

- Zeiteinteilung

- Stabilität und innere Ausgeglichenheit

- Fehlzeiten

 

Exogene Stressoren

Der von außen kommende Stress hat im deutschsprachigen Raum in den letzten Jahrzehnten rasant zugenommen. Allein die Zahl der Krankenstände und die Personalfluktuation sind Indikatoren für die Stressbelastung in einem Unternehmen. Abgesehen von den Kosten, die dem Betrieb aus den höheren Fehlzeiten entstehen, haben die stressbedingte Fehleranfälligkeit und Leistungsverminderung wirtschaftliche Folgen.

Chronischer Stress am Arbeitsplatz führt früher oder später zu psychischen bzw. psychosomatischen Symptomen. Bleiben die ersten Anzeichen unbehandelt, kommt es in den meisten Fällen zu einer Chronifizierung des Leidens. Die unerfreuliche Konsequenz: immer längere Krankenstände bis hin zur Arbeitsunfähigkeit. Oft sind es die leistungswilligsten, engagiertesten Mitarbeiter, die mitten im Leben plötzlich vom Herztod ereilt werden. Die Folgekosten der stressbedingten Ausfälle gehen in die Milliardenhöhe. Nach Einschätzung der Sozialversicherungsträger werden diese in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Eine Studie zum „Ökonomischen Nutzen betrieblicher Gesundheitsförderung“ (C. Helmenstein, M. Hofmarcher, A. Kleissner, M. Riedel, G. Röhrling, A. Schnabl, 2004) zeigt, dass sich mit gezielten Maßnahmen im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung 1,7 % des BIP einsparen ließen.

Neben endogenen psychischen und beruflichen Stressoren schränken auch Partnerschaftskonflikte oder familiäre Probleme die Belastungs- und Leistungsfähigkeit nachhaltig ein. Arbeitnehmer, die von Beziehungsproblemen in Anspruch genommen werden, die sich um die Zukunft ihres Kindes sorgen oder durch andere private Sorgen belastet sind, haben ihren Kopf meist nicht mehr bei der Arbeit. Eine möglichst rasche Klärung der stresserzeugenden Situation liegt natürlich auch im Interesse des Unternehmens.

 

Forschen, Verstehen, Verändern

Der psychoanalytische Ansatz des Institutes für Angewandte Tiefenpsychologie orientiert sich an der Komplexität psychischer oder psychosomatischer Krankheitsbilder. Effiziente Prävention setzt voraus, dass bewusste und unbewusste Ebenen in gleicher Weise in den Prozess der Problemanalyse einbezogen werden. Kognitive Modelle, bei denen die Emotionen ausgespart bleiben, greifen viel zu kurz. Zu lange hat die Gesundheitsprävention auf die Vernunft des Menschen gesetzt und dabei ignoriert, dass menschliches Verhalten größtenteils von Emotionen und unbewussten Prozessen gesteuert wird. Das Bewusstsein hinkt dem Unbewussten immer hinterher. Unabhängig davon, ob es sich um teure Straßenverkehrs- oder Gesundheitskampagnen handelte, das negative Ergebnis war immer gleich ernüchternd. Man hätte sich das Geld für die „Aufklärung“ sparen können, wie das Beispiel Rauchen zeigt. All diese Kampagnen haben vielleicht der Gewissensberuhigung gedient, aber sonst nichts bewirkt.

In Europa rauchten 2002 19 bis 44 % der Männer und 19 bis 31 % der Frauen, in Deutschland waren es 1998 39 % der Männer und 31 % der Frauen. Insgesamt rauchen derzeit etwa 35 % der Erwachsenen in Deutschland. Besonders beunruhigend ist, dass das Durchschnittsalter, in dem Jugendliche und Kinder ihre ersten Zigaretten rauchen, immer weiter absinkt und jetzt schon bei 11 bis 13 Jahren liegt. Im Laufe der Adoleszenz nimmt die Raucherquote deutlich zu und steigt im frühen Erwachsenenalter auf fast 50 % sowohl bei Frauen als auch bei Männern. 20 % der schwangeren Frauen sind Raucherinnen.“

Im Gegensatz zur biederen Gesundheitsprävention hat die Tabakwerbung die Emotionen, die Menschen bewegen, weit besser verstanden und für ihre Zwecke ausgenutzt. „Mit einer Dames bist Du nie allein“, suggerierte gekonnt die Werbung für diese Zigarettenmarke. Das perfekte Product-Placement in Spielfilmen, die aufgrund ihres hohen Emotionalisierungsgrades zur Identifikation einladen, animiert mehr Jugendliche, mit dem Rauchen zu beginnen, als kopflastige, moralisierende Aufklärungskampagnen dazu motivieren, damit wieder aufzuhören.

Am Beispiel des Rauchens zeigt sich die Naivität der bisherigen Prävention. Kaum jemals wurde auf die positive, spannungsreduzierende Wirkung des Rauchens eingegangen oder auf die verborgenen Ängste, die zehn-, elfjährige Kinder dazu motivieren, zum ersten Mal am Glimmstängel zu saugen oder sich ins Koma zu saufen. Wer erkennt schon die innere Einsamkeit von Jugendlichen, wenn sie ihre ersten „Selbstbehandlungsversuche“ mit Zigaretten und Alkohol durchführen. Leichter ist es schon, Jugendlichen zu attestieren, dass sie eben cool und erwachsen sein wollen, Verbotenes ausprobieren oder Grenzen überschreiten müssen. Es stellt sich die Frage, was Jugendliche mit Problemen tun müssen, bevor ihnen jemand ernsthaft zuhört und auf ihre Sorgen und Nöte eingeht. In Wahrheit ziehen sich die Erwachsenen immer stärker aus dem Leben der Jungen zurück und lassen sie mit all den Ängsten und Schwierigkeiten, die das Erwachsenwerden mit sich bringt, allein.

Die von einer Gesellschaft vorgegebenen Werte schränken Jugendliche in ihrer freien Persönlichkeitsentfaltung ja nicht nur ein, sondern bieten ihnen gleichzeitig Gelegenheit zur Auseinandersetzung. Die vorübergehende Auflehnung gegen die in den Erwachsenen verkörperte Ordnung ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg in die Eigenständigkeit. Jugendliche brauchen die Konfrontation mit der Erwachsenenwelt, wenn sie später zu strukturierten, selbstbewussten, standfesten Persönlichkeiten heranreifen sollen. Wird ihnen der kritische Dialog mit den Wertvorstellungen der Erwachsenenwelt vorenthalten, wirkt sich das negativ auf ihre Persönlichkeitsentwicklung aus. Solange die Ohren der Erwachsenen taub bleiben, müssen die Töne der Jugendlichen zwangsläufig schriller werden. Völlig unabhängig davon, ob die Betroffenen Kinder, Jugendliche oder Erwachsene sind, Prävention kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Komplexität von gesundheitsschädigendem Verhalten nicht ignoriert wird.

 

Primäre Prävention macht Sinn – sekundäre Prävention tut not

Die primäre Prävention soll in erster Linie zur Erhaltung und Stabilisierung der Gesundheit von Arbeitnehmern beitragen. Im Rahmen einer primären Prävention sollen in Zusammenarbeit mit den in Betrieben Verantwortlichen (Betriebsärzte, Betriebsräte, Personalleiter) „Gesundheitsprogramme“ für Arbeitnehmer entwickelt werden. Bei der primären Prävention sollten vor allem edukative Ansätze zum Einsatz kommen. Dabei muss es sich nicht zwangsläufig um Frontalvorträge handeln. Gruppendynamische Experimente von Lewin während und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg haben gezeigt, dass Aufklärung viel besser wirkt, wenn sie in Form von Gruppendiskussionen stattfindet.

Sekundärprävention dient der Früherkennung stressbedingter, psychosozialer Konflikte und Belastungen im Arbeitsbereich. Früherkennung in Verbindung mit rasch eingeleiteter Therapie erspart die risikoreiche Umlenkung in eine körperliche Erkrankung und wirkt der Chronifizierung neu entstandener Symptome entgegen. Eine wirksame Sekundärprävention verkürzt nicht nur den Leidensweg der Betroffenen, sondern sie ist gesundheitspolitisch und volkswirtschaftlich von hoher Relevanz, da deutliche Kostenreduzierung erreicht wird. Kostspielige, für die Diagnoseerstellung nichtrelevante Untersuchungen müssen nicht mehr durchgeführt werden. Dadurch ergibt sich folgende Kostenersparnis:

- Reduzierung von Krankenhauskosten durch Abkürzung wiederholter stationärer Behandlung

- Reduzierung des Medikamentenverbrauchs

- Verkürzung von Arbeitsunfähigkeits-Zeiten

- Kostenreduzierung durch Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess und durch Vermeidung von drohender Fixierung auf die Frührente

 

Exploration

Früherkennung im Sinne der Sekundärprävention setzt voraus, dass man ausreichende Informationen über den Zustand eines Systems erhält. Diese gewinnt man mit Hilfe einer detaillierten, sorgfältigen Analyse, die bewusste und unbewusste Faktoren in gleicher Weise berücksichtigt. Bei einem Individuum geschieht das im Rahmen einer ausführlichen Exploration. Darunter versteht man eine „nachforschende“ Untersuchung, bei der sämtliche Variablen abgeklärt werden, die auf die aktuelle Befindlichkeit Einfluss nehmen. Ein wesentlicher Indikator ist der Leidensdruck. Dieser kann entweder den Menschen selbst oder aber auch seine Umgebung betreffen. Wer unter Ängsten leidet oder starkem Stress ausgesetzt ist, hat einen sehr hohen subjektiven Leidensdruck. Anders verhält es sich bei bestimmten Persönlichkeitsstörungen. Narzisstische Persönlichkeiten oder Borderlinepersönlichkeiten, Süchtige, die ihre Störung oft ungebremst ausleben, rufen mit ihrem rücksichtslosen Verhalten in ihrer Umgebung Leidensdruck hervor.

Sieht man von diesen Persönlichkeitsstörungen ab, ist der subjektiv empfundene psychische Leidensdruck meist an beobachtbare Symptome gebunden. Menschen leiden unter ihren Panikattacken oder Zwangsstörungen. Der unbewusste Konflikt, der für die Entstehung der Symptome verantwortlich ist, bleibt meist im Verborgenen. Es gibt aber auch Symptome, die sich nicht psychisch, sondern körperlich bemerkbar machen, obwohl sie ebenfalls auf unbewusste seelische Konflikte zurückgehen. In diesem Fall spricht man von psychosomatischen Beschwerden, weil der Leidensdruck von somatischen Symptomen mit psychischer Verursachung hervorgerufen wird.

In einem solchen Fall ist die Angst nicht mehr direkt ableitbar, sondern verbirgt sich zum Beispiel hinter Magenschmerzen. Eben weil der psychische Leidensdruck bei psychosomatischen Beschwerden meist völlig fehlt, zweifeln die Betroffenen in der Regel an der psychischen Verursachung. Sobald der Arzt sagt, ihr Leiden hat keine körperlichen Ursachen, zweifeln viele an dieser Diagnose und fühlen sich nicht mehr ernst genommen. Die unweigerliche Reaktion: „Ich bin doch nicht verrückt, mir fehlt doch wirklich etwas“, oder: „Ich bilde mir das alles doch bloß nicht ein.“ In diesem Fall gehört es zur heiklen Aufgabe des Arztes, beim Patienten zunächst einmal ein Bewusstsein für die besondere Art seiner Erkrankung zu schaffen und ihn für die unbewussten Hintergründe seines Leidens zu sensibilisieren.

Nicht selten führt der Leidensdruck eines Menschen aber auch zu Selbstbehandlungsversuchen mit Hilfe von Essen, Nikotin, Alkohol, legalen oder illegalen Drogen. Früher oder später führt diese Strategie zwangsläufig zu einer Sekundärschädigung in Form von Übergewicht, Sucht oder körperlichen Folgeerkrankungen wie Krebs und Herzinfarkt. Je früher der Leidensdruck eines Menschen erkannt wird, umso eher lässt sich ein Kippen des inneren Gesundheitsgleichgewichtes verhindern. Sobald psychische Konflikte, soziale Belastungen oder überhöhter Stress am Arbeitsplatz einmal zu einer körperlichen Erkrankung geführt haben (siehe Morbus Crohn, eine chronische, in Schüben verlaufende Entzündung des Dünndarms), kann dieser Prozess nicht mehr rückgängig gemacht werden. Früherkennung und Beseitigung der Risikofaktoren sind bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen das Um und Auf in der Prävention.


zurück